Category: Energiepolitik

  • Global Oil Briefing Nr.2 – 5. März 2009 (Teil 3)

    Fortsetzung von Teil 2

    Tabelle 2: Paradigmenwechsel der Ölmärkte 1850-2020

     Zeit Krisen Paradigma

    1850-1890 Preis- und Mengenkrisen imamerikanischen Ölmarkt

    US-Monopol von Standard Oil (Rockefeller)

    1890-1930 Globalisierung des Wettbewerbs;

    Preiskriege

    Weltkartell (Achnacarry)

    1930-1970 Globalisierung des Angebots

    Erschließung des Nahen Ostenskönnte zu einer Ölschwemme führen

    Kontrolle des billigen Golföls ist entscheidend, umÜberangebot und Preiskriege zu verhindern. Lösung mit dreiSäulen:

    – US-saudische Allianz

    – Marktoligopol der „Seven Sisters“ mit integrierten Ketten

    – Westeuropa als neuer Absatzmarkt

     

    1970-1986 Legitimationskrise der westlichenÖlkonzerne

    USA fällt als Swing Producer aus

    Investitionskrise am Golf

    Wachstum der Ölnachfrage von

    8 Prozent pro Jahr ist nicht

    aufrechtzuerhalten: Es droht eine

    Verknappung des Angebots

     

    Lösungen:

    – starke Erhöhung des Ölpreises

    – Verstaatlichungswelle in OPEC-Ländern

    – Marktsteuerung durch OPEC

    – aktive Nachfrage- und Angebotspolitik in Industrieländern

    (Steuern, Energiesparprogramme, Erschließung neuer

    Ölprovinzen, zum Beispiel Nordsee)

    – Erdöl wird erstmals aus Nachfragesegmenten verdrängt(Strom)

    1986-1999 OPEC kann den Markt nicht steuernÜberangebot und Preiseinbrüche

    – Preisfindung wird auf Spot- und Terminmärkte, und damit

    teilweise in die Finanzmärkte, verlagert

    – Investitionen werden gekürzt, die Branche schrumpft

    1999-2008 Globalisierung und Wachstum der

    Nachfrage trotz Preisanstieg

    Einfluss der Finanzmärktedestabilisiert den Ölpreis

    Peak/Plateau der Rohölproduktionist absehbar, ähnlich wie in den

    70er Jahren wächst die Nachfrageschneller als das Angebot

    Neues Paradigma noch nicht gefunden. Erste Elementewerden getestet:

    – Verbreiterung und Flexibilisierung des Angebots

    (synthetisches Öl, Biokraftstoffe)

    – Flexibilisierung der Nachfrage durch neueFahrzeugtechnologien

    – aufwendigere Fördertechnologien (v.a. Offshore)

    – aktive Nachfragepolitik als „Nebenprodukt“ derKlimadebatte

    – Ölpreis steigt steil an: Nachfrage und Angebot suchen nach

    einem neuen Gleichgewichtspreis

    2008-2020 2008-2012: Investitionskrise beiÖlproduzenten als Folge desZusammenbruchs der

    Finanzbranche und der globalenRezession

    2012-2020: Globale Angebotskrise,

    sobald die Ölnachfrage wiederwächst (Peak Oil)

    Mögliche Lösungsansätze:

    – ungebremste Demand Destruction mit weitreichendensozialen und wirtschaftlichen Folgen

    – Internationale und nationale Energiepolitik: „Post-Peak-

    Balance“ („Öl-Kyoto“), die den Nachfragerückgang inIndustrieländern beschleunigt und das Nachfragewachstum inSchwellenländern dämpft; ergänzt um eine neue Architektur

    der Ölpreisfindung.

     

    Ein „Post-Peak-Pakt“ oder „Öl-Kyoto“ könnte den Weg zu einer globalen Balance weisen. Ein differenziertes Steuersystem, das mit Beteiligung der Industrie- und Schwellenländer (G20) und der OPEC-Staaten den Ölpreisauf einem relativ hohen Niveau stabilisiert, könnte den bereits heute sichtbaren Rückgang der Ölnachfrage inIndustrieländern beschleunigen, die Nachfrage etwa im Automobilbereich flexibilisieren (Ethanol, EV) und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Ölnachfrage in den Schwellenländern nur gedämpft wächst.

     

    Die Einsparpotenziale sind immer noch enorm: Allein schon die Modernisierung der amerikanischen PKW-

    Flotte und eine Stadtplanung in Schwellenländern, die Bussen und Bahnen den Vorzug gibt, könnte den globalen

    Ölbedarf mittelfristig um 10-15 Prozent senken.

     

    In mancherlei Hinsicht zeigen sich Parallelen zur aktuellen Finanzkrise: Preiskapriolen bzw. fragwürdige

    Preissignale, die globale Perspektive, eine unsichere Datenlage (z.B. bei Ölreserven) und enorme Kapitalströme.

    Insofern kann die Ölpolitik aus dem heutigen nationalen und internationalen Krisenmanagement derFinanzmarktmalaise erste Lehren ziehen und den eingespielten insitutionellen Rahmen nutzen.

     

    Die nächste Ölkrise kommt bestimmt, aller Voraussicht nach schon in der ersten Hälfte des kommenden

    Jahrzehnts. Aber sie kann rechtzeitig entschärft werden, wenn die Warnsignale dieses Mal rascher als bei der

    Bankenkrise wahrgenommen werden.

     

    CHRONOLOGIE 2008/2009

     

    1. Januar 2008

    Ekuador wird nach 16-jähriger Pause erneut Mitglied der

    OPEC. Im letzten Jahr trat Angola bei.

     

    1. Februar 2008

    OPEC lässt Produktionsquoten unverändert.

     

    14. Februar 2008

    Der venezolanische Ölstaatskonzern PdVSA stoppt den

    Ölverkauf an ExxonMobil. ExxonMobil und Venezuela

    führen einen Rechtsstreit, nachdem Venezuela eine Reihe

    von Ölprojekten verstaatlicht hatte.

     

    19. Februar 2008

    WTI-Öl schließt erstmals in der Geschichte über 100 $/b.

     

    5. März 2008

    OPEC lässt Produktionsquoten unverändert.

     

    27.März 2008

    Anschläge auf südirakische Pipelines Richtung Basra

    verringern den Ölfluss zur Hafenstadt um 0,3 mb/d. Eine

    Woche später ist der Schaden weitgehend behoben.

     

    25. April 2008

    Ein Streik auf den nigerianischen Ölfeldern von

    ExxonMobil (Qua Iboe, Yoho, Ehra) unterbricht die

    Förderung von 780.000 b/d für zehn Tage.

     

    27. April 2008

    Ein dreitägiger Streik in der Raffinerie im schottischen

    Grangemouth führt zur Schließung der Pipeline North

    Forties und halbiert die britische Ölförderung in der

    Nordsee.

     

    Frühjahr 2008

    Russische Diplomaten, Unternehmer und Forscher

    befürchten, dass Russland seine Ölproduktion nicht über

    10,0 mb/d steigern kann.

     

    1. Mai 2008

    Streiks, Anschläge und Sabotage verringern die

    nigerianische Förderung um 1,36 mb/d. Das sind 40% der

    Produktionskapazitäten.

     

    6. Mai 2008

    WTI-Öl steigt erstmals über 120 $/b.

     

    19. Mai 2008

    Die amerikanische Regierung beschließt, eine Aufstockung

    der strategischen Ölreserven (SPR) auszusetzen, solange der

    Ölpreis über 75 $/b liegt.

     

    23. Mai 2008

    Die Ölförderung Mexikos, des sechstgrößten

    Ölproduzenten der Welt, bleibt wiederholt hinter den

    Erwartungen zurück (2,8 mb/d gegenüber erwarteten 3,0 b/

    d).

     

    27. Mai 2008

    Kanada, Dänemark (Grönland), Norwegen, Russland und

    die USA diskutieren die rechtliche Situation bei der

    Erschließung des arktischen Ozeans (Nordpolarmeer). In

    der Presse zirkulieren Berichte über angeblich umfangreiche

    Öl- und Gasressourcen.

     

    28. Mai 2008

    Indonesien verlässt die OPEC, da das Land mittlerweile

    mehr Öl importiert als exportiert. Das Land ist daher eher

    an niedrigen Ölpreisen interessiert.

     

    15. Juni 2008

    Saudi-Arabien will seine Förderung im Juli um 0,6 mb/d

    auf 9,7 mb/d erhöhen. Das wäre der höchste Wert seit

    1981.

     

    19. Juni

    China erhöht die Benzin- und Dieselpreise um bis zu 18%.

     

    19. Juni

    Shell kürzt seine Förderung im nigerianischen Feld Bonga

    für mehrere Wochen um 225.000 b/d, nachdem die

    Rebellengruppe MEND die über 100 Kilometer vor der

    Küste liegenden Anlagen angegriffen haben.

     

    20. Juni

    Chevron kürzt seine nigerianischen Exporte nach der

    Zerstörung einer Pipeline für mehrere Wochen. Die

    nigerianische Produktion liegt seit Monaten etwa 0,7 mb/d

    unter der Produktionskapazität.

     

    22. Juni

    „Weltölgipfel“ in Jeddah (Saudi-Arabien). Produzenten-

    und Konsumentenländer sowie Ölkonzerne diskutieren die

    hohen Ölpreise. Die Abschlusserklärung betont die

    Bedeutung von Investitionen und Transparenz. Für

    Dezember ist ein weiteres Treffen in London geplant.

     

    27. Juni

    WTI-Öl steigt erstmals über 140 $/b.

     

    11. Juli

    WTI-Öl erreicht an der Nymex ein (bisheriges) Allzeithoch

    von 147,27 $/b.

     

    18. Juli

    Ölpreis fällt in einer Woche um mehr als 18 $/b. Vorläufige

    Statistiken zeigen eine stark rückläufige Benzinnachfrage in

    den USA.

     

    29. Juli

    Chevron beginnt mit der Ölförderung im nigerianischen

    Offshore-Feld Agbami. Die Förderung soll bis Ende 2009

    auf 250.000 b/d Öl steigen.

     

    4.-7. August

    Der Tropensturm Edouard verringert die Ölproduktion im

    Golf von Mexiko um 78.000 b/d.

     

    7. August

    Eine Explosion in der Osttürkei blockiert die strategisch

    wichtige Pipeline Baku-Tbilisi-Ceyhan (BTC) bis zum 25.

    August. Die Ursache ist umstritten. Etwa 850.000 b/d

    können nicht mehr vom Kaspischen Meer ans Mittelmeer

    transportiert werden.

     

    14. August

    Als Folge des militärischen Konflikts zwischen Russland

    und Georgien schließt BP aus Sicherheitsgründen die BakuSupsa-

    Pipeline. Sie befördert normalerweise 45-90.000 b/d

    aserbeidschanischen Rohöls an die Schwarzmeerküste.

     

    29.August – 7. September

    Im Vorfeld des tropischen Sturms Gustav wird im

    amerikanischen Teil des Golfs von Mexiko die gesamte

    Offshore-Förderung eingestellt (1,3 mb/d). Der folgende

    Hurrikan Ike sorgt dafür, dass auch Ende September noch

    0,74 mb/d ausfallen. Im September blieb die Produktion

    damit 30 Millionen Barrel unter dem Produktionsplan.

     

    August

    Die amerikanische Ölnachfrage war im August auf dem

    niedrigsten Stand seit Dezember 2001. Sie fiel gegenüber

    August 2007 um 8,4% auf 19,26 mb/d (EIA).

     

    10. September

    OPEC lässt die Produktionsquoten auch weiterhin bei 28,8

    mb/d. Da diese Quoten bislang überschritten wurden, läuft

    der Beschluss auf das Ziel hinaus, die Produktionsmengen

    um 520.000 b/d zu kürzen.

     

    10.-15. September

    Stürme im Süden und Explosionen im Norden behindern

    die irakischen Exporte.

     

    15. September

    Die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers

    meldet Insolvenz an und markiert damit den vorläufigen

    Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise. Anleger ziehen sich

    auch von den Rohstoffmärkten zurück, was zu einem

    scharfen Einbruch der Ölpreise führt.

     

    15. September

    WTI-Öl notiert zum ersten Mal seit dem 4. März unter 100

    $/b.

     

    25. September

    Polen wird 28. Mitglied der Internationalen Energieagentur,

    IEA.

     

    Oktober

    Weltweiter Crash an den Aktienmärkten.

     

    Oktober

    In den USA mehren sich die Anzeichen, dass die

    Ölnachfrage weiter zurückgeht.

     

    24. Oktober

    OPEC beschließt Kürzung der Produktion um 1,5 mb/d ab

    November auf 27,3 mb/d. Der Ölpreis sinkt zunächst

    trotzdem weiter, aber stabilisiert sich dann bei 60 $/b.

     

    4. November

    US-Präsidentschaftswahl: Barack Obama wird zum 44.

    Präsident der USA gewählt.

     

    6. November

    Brentöl sinkt erstmals in 2008 deutlich unter 60 $/b und

    damit auf den tiefsten Stand seit März 2007.

     

    12. November

    Die IEA veröffentlicht den World Energy Outlook 2008: Er

    warnt vor einer Ölversorgungskrise im kommenden

    Jahrzehnt.

     

    November

    Der Ölpreis fällt erstmals seit 2005 unter die 50-Dollar-

    Marke. Weltweit verschlechtern sich die Konjunkturdaten

    und Prognosen auf dramatische Weise. Erste Zahlen zeigen

    einen massiven Einbruch der Ölnachfrage in den USA

    schon seit August.

     

    18. November

    Entführung des saudischen Supertankers „Sirius Star“ vor

    der Küste Kenias durch somalische Piraten.

     

    29. November

    Das OPEC-Treffen in Wien endet wie erwartet ohne einen

    Beschluss zur Kürzung der Quoten.

     

    5. Dezember

    WTI und Brent fallen erstmals seit 2004 unter die 40Dollar-

    Marke.

     

    17. Dezember

    Die OPEC beschließt auf ihrem Treffen in Oran (Algerien)

    eine Kürzung ihrer Produktion um weitere 2,2 Mio. Barrel

    pro Tag. Auch Russland will sich mit 0,3-0,4 Mio. Barrel

    anschließen.

     

    18. Dezember

    Ungeachtet der OPEC-Entscheidungen fällt der WTI-

    Kontrakt für Januar kurz vor seiner Fälligkeit deutlich unter

    40 Dollar pro Barrel.

     

    19. Dezember

    Ölgipfel in London: Dialog zwischen Förder- und

    Verbraucherländern.

     

    2009

    24. Dezember bis 20. Januar 2009

    Gaspreiskonflikt zwischen Russland und der Ukraine stützt

    vorübergehend die Preise für Diesel/Heizöl und Fuel Oil.

     

    28. Dezember bis Anfang Januar 2009

    Der Gaza-Krieg führt zu kurzfristigen spekulativen

    Ölkäufen, bleibt aber ohne nachhaltige Wirkung auf die

    Ölmärkte.

     

    Januar 2009

    Die OPEC-Staaten beschleunigen die

    Produktionskürzungen, Brent stabilisiert sich bei 45-50 $/b.

     

    20. Januar 2009

    Amtsantritt von Präsident Obama. Er ordnet wenige Tage

    später die Umsetzung der CAFE-Benzinverbrauchsnormen

    an, die unter Bush beschlossen, aber nicht implementiert

    worden sind.

     

    28. Januar 2009

    Der IWF kürzt seine Wachstumserwartungen für die

    Weltwirtschaft 2009 auf nur noch 0,5%.

    Januar bis Anfang März 2009

    WTI-Öl (Nymex) koppelt sich immer stärker vom

    Weltmarkt ab und notiert deutlich unter Brent. Die Lager in

    Cushing steigen auf Rekordniveau (34,9 mb).

     

    10.-15. Februar 2009

    Die monatlichen Ölberichte von IEA, EIA und OPEC

    revidieren ihre Nachfrageerwartungen für 2009 deutlich

    nach unten.

     

    Februar 2009

    China sichert sich weltweit Öllieferungen durch

    umfangreiche Kredite an Russland, Venezuela und

    Brasilien.

     

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    Argus, API, Bloomberg, Chinese General Customs, EIA, EnergyIntelligence, Financial Times, FAZ, Handelsblatt,

    IATA, ICE, IEA, IE Singapore, JBC Energy, Nymex, OPEC, PAJ, Platts, Reuters, Yahoo-Finance, US-DoT,Wall

    Street Journal.

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  • Global Oil Briefing Nr.2 – 5. März 2009 (Teil 2)

    Fortsetzung von Teil 1

    4. Öllagerbestände

    USA

    Die amerikanischen Lagerbestände für Rohöl und Ölprodukte haben Mitte Februar ihren sechswöchigen

    Aufwärtstrend beendet. Sie sind in den letzten drei Wochen von 1044,7 auf 1036,6 mb gefallen, also um umgerechnet

    386 kb/d. Damit liegen sie aber immer noch über dem Schnitt der letzten Jahre und 60 mb über dem Stand von 2008.

     

    Die Bestände in Cushing (vgl. GOB 1) steigen nicht mehr, sind aber mit 34 mb immer noch nahe dem Rekordhoch

    von 34,9 mb. Die Probleme in Cushing werden die Preisfindung noch über Jahre belasten, da nur in begrenztem

    Umfang Öl aus Cushing in größere Verbrauchs- oder Transportzentren gepumpt werden kann. Die Verlängerung der

    Keystone-Pipeline von Cushing zur Golfküste wird wohl nicht vor 2012 in Betrieb genommen werden. Zur Zeit gibt es

    keine Pipeline, mit der überschüssiges Öl zur Golfküste transportiert werden könnte. Die Umkehrung der Spearhead

    Line hat auch den Abtransport Richtung Chicago erschwert.

     

    Chart 14 zeigt mit violetten Ringen die Entwicklung der gewerblichen Rohöl- und Produktlager seit Jahresbeginn.

    Darüber befindet sich der geschätzte Bestand einschließlich der etwa 40 Mio. Barrel, die im Golf von Mexiko vor

    Anker liegen sollen.

     

    Chart 14: Gewerbliche Rohöl- und Produktlagerbestände in den USA nach Kalenderwoche

    (letzter Stichtag 27.Februar 2009)

    Quelle: EIA

    China

    Peking plant die Einrichtung von strategischen Ölproduktlagern. Zunächst sollen 3 Mio. Tonnen, 2011 schließlich 10

    Mio. Tonnen eingelagert werden. Die strategischen Rohöllager können bereits heute 102 mb aufnehmen und sollen bis

    auf 280 mb ausgebaut werden.

    Die gewerblichen Produktlager umfassten laut Branchenverband CPCIA Ende 2008 12,6 Mio. Tonnen. Sie lagen

    damit 47% höher als vor einem Jahr, wie JBC Energy meldet.

    Global

    Die IEA (OMR Februar) sieht die weltweiten Öl- und Produktlager auf normalem Niveau. Hohe Bestände in den

    USA stehen relativ niedrigen Beständen in Europa und Asien gegenüber.

    Sie schätzt, dass die Lager in den Industrieländern (OECD) im Dezember 2008 um 20 mb (645 kb/d) abgebaut

    wurden. Der Bestand lag Ende 2008 bei 2673 mb und damit 104 mb höher als vor einem Jahr. Erste Indikationen für

    den Januar deuten auf sehr leichten, aber gegen den saisonalen Trend erfolgenden Lageraufbau um insg. 8 mb hin.

    Die insgesamt geringere Ölnachfrage führt dazu, dass die Lager 57 Tage des Konsums decken können. Das sind 4,5

    Tage mehr als vor einem Jahr.

    Zusätzliche Mengen werden weltweit in Tankern zwischengelagert. Der OPEC-Monatsbericht vom Februar schätzte

    sie auf 70-80 mb in 35-40 Schiffen, was 7-8% der VLCC-Großtankerflotte entspricht. Die IEA geht von 50-80 mb aus.

     

    Ölmarkt & Ölpreise: Prognosen

    Nachfrageprognosen

    Die Nachfrageprognosen für 2009 wurden seit dem 10.Februar ein weiteres Mal deutlich nach unten korrigiert. Das

    war zu erwarten, da der IWF seine Wachstumprognose für die Weltwirtschaft Ende Januar gesenkt hatte (vgl.

    GOB-1). Da aber auch die Angebotsprognosen zurückgenommen wurden, verringert sich die Wirkung auf die globale

    Ölbilanz.

     

    Die EIA (STEO Februar) geht nun von einem Rückgang der globalen Ölnachfrage um 1,2 mb/d auf 84,7 mb/d aus.

    Das ist eine Abwärtsrevision von 400 kb/d gegenüber dem Bericht im Januar.

     

    Die IEA (OMR Februar) hat sich gegenüber dem Vormonat sogar um 570 kb/d nach unten korrigiert und geht nun

    für 2009 von einem Rückgang um 980 kb/d auf 84,7 mb/d aus. Dabei sollte der Ölkonsum in den Industrieländern

    (OECD) um 1,5 mb/d sinken und im Rest der Welt um etwa 500 kb/d steigen. Chart 15 verdeutlicht die von der IEA

    erwartet Entwicklung und vergleicht die Vorhersagen für Januar und Februar. Dabei sollte auch erwähnt werden, dass

    die Schätzung für das vierte Quartal 2008 (!) um 0,3 mb/d von 85,3 auf 85,0 revidiert wurde.

     

    Die OPEC-Organisation (OMR Februar) ist vergleichsweise optimistisch und geht von -580 kb/d auf 85,13 mb/d aus

    (-180 kb/d gegenüber Januar).

     

    JBC Energy veranschlagt 2009 einen ähnlich hohen Rückgang wie 2008. Im Vorjahr ist die Nachfrage um 525 kb/d

    geschrumpft, also stärker als jetzt noch von vielen Instituten angenommen. 2009 wird sie nach den Berechnungen der

    Wiener um weitere 550 kb/d fallen.

     

    Der Öldienstleister und Beratungskonzern WoodMackenzie liegt am anderen Ende des Beraterspektrums und

    beziffert den Rückgang 2009 auf 1,5 mb/d (von 85,8 auf 84,3 mb/d), davon 700 kb/d in den USA. In China wird ein

    leichtes Wachstum (+30 kb/d) erwartet, in Japan ein starker Rückgang (-190 kb/d).

     

    Die folgende Tabelle fasst die Nachfrageprognosen zusammen.

     

    Organisation /

    Unternehmen

    Weltölnachfrage 2009eltölnachfrage 2009

    Schätzung im Jan.2009 Schätzung im Feb. 2009

    EIA -800 kb/d – 1.200 kb/d

    IEA -510 kb/d – 980 kb/d

    OPEC -180 kb/d – 580 kb/d

    EnergyIntelligence -700 kb/d –

    JBC Energy -90 kb/d – 550 kb/d

    WoodMackenzie — 1.500 kb/d

     

    Chart 15: Globale Ölnachfrage 2007-2009 (IEA Oil Monthly Report)

    Angebotsprognosen

    Auch die Angebotsprognosen wurden im Februar vorsichtiger:

    Die EIA (STEO Februar) vermutet einen Zuwachs des Non-OPEC Ölangebots von nur noch 150 kb/d in 2009 und

    130 kb/d in 2010. Die Zuwächse sollen vor allem aus Aserbeidschan (aber siehe oben), USA und Brasilien kommen.

    Im letzten Jahr war die Non-OPEC-Förderung nach dieser Berechnung um 330 kb/d zurückgegangen.

     

    Die IEA (OMR Februar) rechnet 2009 mit einem Zuwachs des Non-OPEC-Rohölangebots um 400 kb/d (von 50,5

    auf 50,9 mb/d). Das ist eine leichte Abwärtskorrektur um 100 kb/d. Allerdings hat die Energieagentur ihre

    Erwartungen für NGL aus OPEC-Staaten sehr deutlich um 400 kb/d nach unten revidiert.

     

    Die OPEC-Organisation (OMR Februar) ist auch beim Non-OPEC-Ölangebot optimistisch und rechnet mit einem

    Zuwachs von 550 kb/d. Das sind allerdings 260 kb/d weniger als noch vor einem Monat.

     

    Preisprognosen

    Bei den Preisprognosen gab es in den letzten Wochen keine größeren Verschiebungen (vgl. GOB-1).

     

     

    ÖLPOLITIK & ENERGIEPOLITIK – Aktuelle Brennpunkte der Ölversorgung 10.Februar bis 5. März 2009

     

    Die Weltkarte zeigt aktuelle Brennpunkte in der Weltölversorgung. Die grüne Farbe deutet auf eine Verbesserung,

    die rote Farbe auf eine bereits sichtbare oder mögliche Verschlechterung der Weltölversorgung. Die einzelnen

    Standorte werden auf den beiden folgenden Seiten näher erläutert.

     

    Unten finden Sie eine knappe, zusammenfassende Risikoeinschätzung der Weltölversorgung – abgekürzt: OILRIX

    (Ölversorgungs-Risikoindex). Die Risiken werden in drei Dimensionen bewertet: Preisrisiken, Mengenrisiken und die

    zeitliche Dimension der Risiken (kurz- bis langfristig). Die farbliche Markierung soll den Überblick erleichtern. Bei

    der mittel- und langfristigen Bewertung wird unterstellt, dass die Weltwirtschaft ab 2012 wieder auf einen mittleren

    Wachstumspfad zurückkehrt und dass über die geplanten Maßnahmen (etwa der Obama-Regierung) hinaus keine

    größeren energiepolitischen Kursveränderungen vorgenommen werden.

     

    Der OILRIX – Stand: 5. März 2009- Stand: 5. März 2009

    ZEITHORIZONT PREISRISIKEN MENGENRISIKEN

    Kurzfristig (2009) geringe Preisrisken, solange die Ölnachfrage parallel zum Angebot fällt

    sehr gering; keine größeren geopolitischen Risiken in Sicht; die freien

    Produktionskapazitäten sind umfangreich; die Reichweite der strategischen Reserven wächst.

    Mittelfristig (2012) nach dem Wiederanspringen der Weltkonjunktur wird der Ölpreis zunächst

    aus spekulativen, dann auch aus fundamentalen Gründen steigen gering; die freien Kapazitäten können einen

    Anstieg der Nachfrage über einige Jahre abfedern

    Langfristig (nach 2012) Die Ölpreise werden neue Rekordstände

    erreichen, dann aber stark schwanken,

    wenn durch Demand Destruction und

    Wirtschaftskrisen abwechselnd

    Überangebot oder Ölmangel herrschen

    Die aktuellen Investitionskürzungen

    werden einen Anstieg der Produktion über

    die 90 mb/d-Marke im kommenden

    Jahrzent erschweren; Demand Destruction

    wird einsetzen, falls nicht im Vorfeld

    energiepolitische Maßnahmen ergriffen

    werden.

     

    GLOBAL Finanzkrise und niedrige Ölpreise

    Weltweit sinken die Investitionen in die Exploration und Erschließung neuer

    Vorkommen. Es häufen sich Finanzierungsprobleme bei privaten und bei

    staatlichen Energieunternehmen.

     

    GLOBAL Wirtschaftskrise

    Die Rezession in fast allen Teilen der Weltwirtschaft dämpft die Ölnachfrage und

    sorgt für freie Reservekapazitäten.

     

    China

    Lieferverträge mit Russland, Brasilien und Venezuela: Die gute Finanzlage

    Chinas ermöglichen den Abschluss langfristiger Verträge mit Ölexporteuren, die

    angesichts der niedrigen Ölpreise auf externe Finanzierungen zurückgreifen

    wollen oder müssen.

     

    1. China und Russland: Abschluss der zähen Verhandlungen zwischen Rosneft

    und Transneft auf der einen Seite und China (CNPC, China Development Bank)

    auf der anderen Seite.

    Rosneft wird ab 2011 zwanzig Jahre lang 300 kb/d an China liefern. Im

    Gegenzug erhalten Rosneft 15 Mrd. und Transneft 10 Mrd. Dollar durch

    Kredite, die ebenfalls 20 Jahre laufen. Die Anleihen werden „marktüblich“

    verzinst. Auch der Preis des Rohöls soll sich nach Marktpreisen richten und

    monatlich angepasst werden. Transneft wird das Geld u.a. für den Bau der

    ESPO-Pipeline nutzen (vgl. GOB-1). Die Verhandlungen waren in der

    Vergangenheit immer wieder an Preisfragen gescheitert.

     

    2. China und Brasilien: Petrobras liefert ab sofort 60-100 kb/d an Sinopec und

    voraussichtlich bald weitere 40-60 kb/d an CNPC. Der staatliche Ölkonzern

    erhält im Gegenzug Kredite über 10 Mrd. Dollar von der China Development

    Bank.

     

    3. China und Venezuela: Caracas erhält von Peking Kredite in Höhe von 12

    Mrd. Dollar. PdVSA liefert dafür zusätzlich 80-200 kb/d. Bereits heute werden

    etwa 200 kb/d Rohöl nach China exportiert. Auch beteiligen sich chinesische

    Firmen an Explorationsprojekten.

     

    China Peking beginnt 2009 mit der zweiten Aufbauphase seiner strategischen

    Ölreserven. Bis 2011 sollen Kapazitäten von 280 mb bereitstehen; derzeit sind es

    102 mb. Auch die Anlage von strategischen Ölproduktreserven ist geplant (bis zu

    10 Mio. t, also etwa 75 mb).

     

    USA

    In Washington hat die Obama-Administration die Kurskorrektur in der

    Energieindustrie eingeläutet:

    a) Streichung von Steuerleichterungen für die Öl- und Gasindustrie (insgesamt

    $26,2 Mrd. im Zeitraum 2011 bis 2019).

    b) Die umstrittene Erschließung des Outer Continental Shelf (OCS) für die Öl-

    und Gasindustrie wird verschoben, um mindestens bis zum September 2009

    Anhörungen durchführen zu können.

    c) Die Vergabe von Abbaurechten (leases) für den teuren und ökologisch stark

    belastenden Abbau von Ölschiefer wird erst einmal auf die lange Bank

    geschoben. Das Interesse dürfte angesichts der niedrigen Rohölpreise sowieso

    zurückgehen.

    USA

    Ethanol 1. Das Energieministerum soll schon in Kürze die seit Jahren erwarteten

    Kreditgarantien für Anlagen zur Herstellung von Biokraftstoffen der 2.

    Generation vergeben. Dazu gehört insbesondere Zellulose-Ethanol. Zum

    Beispiel planen Shell und Verenium eine kommerzielle Anlage mit einer

    Jahresproduktion von 36 Mio. Gallonen (2350 b/d), die den Betrieb 2012

    aufnehmen soll. Laut einer Studie von GM/Sandia könnten bis 2030 5,9 mb/d

    Ethanol aus land- und forstwirtschaftlichen Abfall- und Reststoffen sowie aus

    Energiepflanzen hergestellt werden. Das könnte fast die Hälfte des aktuellen

    Benzinbedarfs der USA decken.

     

    2. In den USA steigen die Chancen, dass die EPA und die Automobilhersteller

    schon vor Beendigung der jahrelangen Testreihen Bioethanolbeimischungen

    über 10% zulassen (E10). Ein Problem ist inbesondere die Haftung für die

    älteren amerikanischen PKW.

     

    3. Die RFA (Renewable Fuels Association) meldet, dass 2008 in den USA 9,2

    Mrd. Gallonen Bioethanol eingesetzt wurden (2007: 6,4 Mrd. Gallonen). Das

    sind im Schnitt 601 kb/d, die wegen der nicht angepassten Motoren aber nur 400

    kb/d Benzin ersetzen.

    2009 sollen die Mengen auf ca. 10,5 Mrd. Gallonen steigen, wobei die

    Kapazitäten schon heute bei 12,4 Mrd. Gallonen liegen. Anlagen für weitere 2

    Mrd. Gallonen sind im Bau.

     

    OPEC

    Die EIA schätzt die Ölexporteinnahmen der OPEC 2009 auf „nur“ noch 402

    Mrd. Dollar. Im Jahr 2008 waren es etwa 971 Mrd. Dollar. Im letzten Juli lagen

    die Prognosen für 2009 bei 1.322 Mrd. Dollar, also mehr als dreimal so hoch.

    Russland Moskau will das Abgabensystem für den Ölsektor grundlegend reformieren, da

    es zu wenig Anreize für die Entwicklung neuer Vorkommen gebe. Nach

    Angaben des Energieministeriums sind 36% der bestehenden und 94% der neuen

    Felder unter dem bestehenden Steuerregime nicht profitabel. Als erste

    Maßnahmen wurden für die Erschließung neuer Felder in Ostsibirien, im

    Kaspischen Meer und in der Arktis Steuererleichterungen beschlossen.

    Irak Produktionsprobleme in den südirakischen Ölfeldern erhöhen den

    innenpolitischen Druck auf das Ölministerium. Kommissionen entwickeln den

    „Accelerated Plan“, der 200 Mio. Dollar aus irakischen Mitteln für Investitionen

    vorsieht. Damit soll die Förderung von derzeit 2,4 mb/d auf 2,8-3,0 mb/d bis

    zum Jahresende gesteigert werden. Nach Angaben des „Medium- to Long-Term

    Plan“ soll die irakische Produktion mit Hilfe der Gewinner der ersten

    Ausschreibungsrunde bis 2012 um weitere 1,5 mb/d auf dann 4-4,5 mb/d

    anwachsen.

     

    Unabhängig davon scheint eine Einigung zwischen Bagdad und einem

    japanischen Konsortium in Sicht. Sie regelt die Erschließung des Feldes

    Nassiriyah, das 4,4 Mrd. Barrel sichere Reserven enthält und einen dauerhaften

    Output von 300 kb/d ermöglichen soll.

     

    Ein weiterer Vertrag zwischen dem Irak und Südkorea soll koreanischen Firmen

    Erschließungsrechte für südirakische Felder gewähren. Dafür investiert Seoul

    3,55 Mrd. Dollar in Kraftwerke und Raffinerien. Südkoreanische Firmen

    nahmen an den zwei großen Ausschreibungsrunden nicht teil, da es im Vorfeld

    Konflikte wegen ihres Engagements in zwei kurdischen Production Sharing

    Agreements (PSA) gegeben hatte, die Bagdad für rechtswidrig hält.

     

    Nigeria

    Die Reform des Ölsektors kommt nur langsam voran. Der staatliche Ölkonzern

    NNPC hat chronische Organisations- und Finanzierungsprobleme, da er aus

    rechtlichen Gründen an jedem Joint-Venture zu 60% beteiligt ist. In der

    vorgelegten „Petroleum Industry Bill“ soll NNPC in sieben Unternehmen

    aufgespalten werden, aber ihre Verabschiedung durch das Parlament scheint in

    weiter Ferne zu liegen. Laut Platts förderte Nigeria Mitte Februar 2,08 mb/d

    gegenüber 2,5 mb/d im Jahr 2006.

     

    Die niedrigen Ölpreise verschärfen das Cash-Problem, so dass Shell in einem

    ungewöhnlichen Schritt der NNPC einen Kredit über 3,1 Mrd. Dollar

    einräumen musste, um die Ölprojekte voranzubringen. Shell plant, in einem zur

    Zeit wieder sicheren Teil des westlichen Niger-Deltas 220 kb/d seiner

    Kapazitäten wieder in Betrieb zunehmen.

     

    Mexiko

    Der staatliche Ölkonzern Pemex hat Servicekontrakte für 170 Bohrungen im

    Chicontepec Basin ausgeschrieben. Bis 2017 sollen dort 600-700 kb/d gefördert

    werden. 2008 waren es laut Platts nur 32 kb/d.

    Mexiko sieht sich in den nächsten Jahren großen Förderproblemen gegenüber,

    da sich die Produktion im bisherigen Hauptfeld, dem Supergiant Cantarell, im

    freien Fall befindet. Dieser Rückgang wird vorläufig durch den Ausbau des

    benachbarten KMZ-Komplexes aufgefangen, der mit 800 kb/d Cantarell bereits

    überflügelt hat. Aber auch KMZ wird in weniger als 10 Jahren seinen Peak

    überschreiten. Zusätzliche Potenziale werden im Tiefwasser im Golf von

    Mexiko vermutet, aber für ihre Erschließung gibt es noch keinen klaren Zeitplan.

    Pemex liefert den größten Teil seiner Gewinne an den mexikanischen Staat ab

    und kann daher nur begrenzt investieren. Die mexikanische Verfassung verbietet

    ausländischen Konzernen den direkten Zugang zum mexikanischen

    Upstreamsektor.

     


     

    Feature Energiepolitik:

    Von Rockefeller bis Peak Oil – Ölkrisen und ihre Überwindung 1850-2020

     

    Auf den ersten Blick ist die Geschichte des Öls seit 1850 eine Wachstumsgeschichte. Mit Ausnahme

    weniger Kriegs- und Rezessionsjahre ist der globale Ölkonsum pausenlos gestiegen. Im Laufe der

    Jahrzehnte wurden immer mehr Anwendungsgebiete für Öl als Kraft-, Brenn- oder Rohstoff erschlossen.

    Dieser Kontinuität auf der Nachfrageseite steht eine wechselvolle und unruhige Geschichte auf der

     

    Angebotsseite gegenüber. Aus dieser Perspektive ist die Geschichte des Öls eine Abfolge von Krisen, die

    immer wieder neue Lösungen erforderten, um der Branche und ihren Märkten eine stabile Struktur zu

    geben. Ein Blick zurück soll die Sicht für die kommenden Ölkrisen schärfen.

     

    1. Die traditionelle Perspektive: Klassische Ölkrisen

    Die folgende Tabelle listet „klassische“ Ölkrisen auf, die deutlich von normalen Marktphasen abgrenzbar

    sind. Die meisten Förderausfälle dieser Art traten in der Sowjetunion beziehungsweise Russland und im

    Nahen Osten auf. In den letzten zehn Jahren haben sich die Schwerpunkte allerdings verschoben und

    globalisiert (Lateinamerika, Afrika). Die zwei größten politisch bedingten Förderausfälle, ohne

    Produktionskürzungen der OPEC, entstanden durch den Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990ern

    und durch die Besetzung des Iraks seit 2003.

     

    Tabelle 1: Politische Ölkrisen seit 1900 (Quellen: IEA, EIA, eig. Recherche)

     

    Zeitpunkt Maximaler

    täglicherLieferausfall

    in mb/d

    Gesamter Lieferausfall

    in Millionen Barrel

    Beschreibung Ort der Krise

    1905/1917 n.a. n.a. Russische Revolution Russland

    1951-54 n.a. 940 mb Verstaatlichung der Ölindustrie im Iran Iran

    1956 2 245 mb Suezkrise Nahostkonflikt

    1967 2 120 mb Sechstagekrieg Nahostkonflikt

    1970/71 1,3 360 mb Libysche Preisoffensive Libyen

    1971 0,6 90 mb Algerischer Unabhängigkeitskrieg Frankreich /

    Algerien

    1973/74 4,3 475 mb Yom-Kippur-Krieg; arabisches

    Ölembargo

    Nahostkonflikt

    1978/79 5,6 640 mb Iranische Revolution 1979 Iran

    1980-88 4,1 300 mb Krieg Irak-Iran Irak / Iran

    1990/91 4,3 420 mb Invasion Kuwaits Irak / Kuwait

    90er Jahre 5,5 >> 2.000 mb Zusammenbruch der Sowjetunion Sowjetunion

    1999-2002 2,1 > 100 mb Vier irakische Exportstopps Irak

    2002-2003 2,6 > 100 mb Innenpolitische Konflikte in Venezuela Venezuela

    2003-2008 2,3 ca. 1500 mb Invasion des Irak / Anschläge Irak

    2006-2009 1 ca. 600 mb Überfälle und Konflikte im Nigerdelta Nigeria

    zum

    Vergleich:

    1,5 162 mb Hurrikan Katrina 2005 USA

     

    Historische Analysen zeigen, dass manche Krisen notwendig waren, um tiefer gehende Probleme des Ölmarktes zu

    lösen, so z.B. Anfang der 70er, als der niedrige Ölpreis und die Branchenstruktur eine Investitionskrise auslösten.

    Andere Krisen wurden vor allem durch Fehlinterpretationen und unausgereifte Marktstrukturen erzeugt, so z.B. 1979,

    als die Wirkung der iranischen Revolution auf die Versorgung der Ölmärkte weit überschätzt wurde und den noch

    kleinen Spotmarkt überlastete.

     

    Der Blick auf isolierte Einzelkrisen verstellt allerdings den Blick auf die längerfristigen historischen Zusammenhänge.

    Begreift man Krisen als Ausdruck von Entwicklungsproblemen des Ölmarktes, gelangt man zu einer etwas anderen

    Perspektive. Hier lassen sich auch die zukünftigen Herausforderungen analytisch einordnen.

     

    2. Die andere Perspektive: Krisen und ihre Überwindung durch neue Paradigmen der Ölmärkte und der Ölpolitik

    Entwicklungskrisen lösen eine Suche nach einem neuen tragfähigen Fundament aus. Die neuen Lösungsmuster sollen

    hier – auch wenn der Begriff in letzter Zeit etwas strapaziert wurde – Paradigmen genannt werden. Die Entwicklung

    der Ölversorgung ist aus dieser Sicht eine Abfolge von Krise, Paradigma, neue Krise, neues Paradigma und so weiter.

    Tabelle 2 gibt einen knappen Abriss der Ölgeschichte aus dieser Perspektive (Details finden Sie in: S. Bukold: Öl im

    21. Jahrhundert, Band 1, Kapitel 2, Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2009).

     

    Mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts bahnte sich eine neue Entwicklungskrise an. Die Ölförderung außerhalb der

    OPEC stagniert, während die OPEC-Staaten ihre Produktion nicht ausweiten konnten oder wollten. Gleichzeitig stieg

    die Nachfrage bis zum Sommer 2008 durch die Globalisierung der Ölnachfrage stark an. Ähnlich wie Anfang der

    1970er Jahre musste der Preis steigen.

     

    Eine weitere Zuspitzung der Versorgungsengpässe wurde 2008 durch die globale Banken- und Wirtschaftskrise

    verschoben. Die Nachfrage sinkt nun aus konjunkturellen Gründen und der Ölpreis ist auf dem Niveau des Jahres

    2005.

     

    So wünschenswert die niedrigeren Benzin- oder Dieselpreise für eine konjunkturelle Belebung sein mögen, so

    bedenklich sind sie für die längerfristige Sicherheit der Ölversorgung. Das Investitionsniveau in der Ölbranche geht

    deutlich zurück und die Entwicklung von Alternativen wird gelähmt. Eventuell führen Budgetkrisen sogar zu

    innenpolitischen Krisen in wichtigen Produzentenländern.

     

    Auch fällt der Ölkonsum nicht so stark, wie der Fall des Ölpreises von 147 $/b (Sommer 2008) auf 35 $/b (Ende

    2008) vermuten lässt. Anfang 2009 lag die Nachfrage trotz Rekordpreisen im Sommer 2008 und Rekordrezession im

    Winter 2008 nur 3 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Nachfrage reagiert nur langsam, denn sie wird durch

    Subventionen, steigende Einkommen in Schwellenländern und starre technische Strukturen stabilisiert. Öl wird sogar

    vermehrt zur Stromerzeugung verfeuert, da es billiger oder leichter verfügbar als Erdgas ist.

     

    Wenn die globale Ölnachfrage in wenigen Jahren wieder auf ihren alten Wachstumspfad zurückkehren sollte, wird es

    fast zwangläufig schon nach kurzer Zeit zu einer Verknappung kommen. Ungebremst würde dies eine Demand

    Destruction verursachen, die insbesondere in Entwicklungsländern zu schweren sozialen Nöten und weltweit zu

    volkswirtschaftlichen Verwerfungen führen könnte, zum Beispiel durch eine massive Subventionierung der Benzin-

    und Dieselpreise.

     

    Entschärfung der Krise durch internationale Politik: Ein Öl-Kyoto?

    Ähnlich wie bei der aktuellen Bankenkrise wird der Ausweg durch ein internationales politisches

    Krisenmanagement gesucht werden müssen. Die Chancen dafür stehen besser, als weit verbreitete Sorgen über

    „Ressourcenkriege“ oder „Post-Carbon-Zivilisationskrisen“ vermuten lassen.

     

    Fortsetzung in Teil 3