Die nationale Statistikbehörde Chinas meldete gestern einen erfreulichen Trend: Der Kohleverbrauch ging 2016 um stattliche 4,7% zurück. Das wiegt klimapolitisch besonders schwer, da jede zweite Kohle weltweit im Reich der Mitte verbrannt wird. Die Nachricht machte sofort in der internationalen und nationalen Presse die Runde und war in Energie- und Klimakreisen die Meldung des Tages.
Gleichzeitig wurde dort gemeldet, dass der gesamte Primärenergieverbrauch des Landes um 1,4% auf 4,36 Mrd. Standardkohleeinheiten (was in etwa unseren SKE entspricht) geklettert war. Der Anteil der Kohle am Primärenergiemix ging um 2,0%, also von 64,0% auf 62,0% zurück. Nach der letzten Datenrevision waren es zwar 63,7% und nicht 64,0%, aber: geschenkt.
Insgesamt eine erfreuliche Mitteilung, aber widersprüchlich: Ein kurzes Nachrechnen ergibt, dass die Zahlen nicht zusammenpassen: Wenn der gesamte Energieverbrauch wie angegeben zulegte und der Kohleanteil wie angegeben fiel, dann hätte das im Ergebnis einen Rückgang um 1,8% bedeuten müssen und nicht 4,7%.
Die weitere Recherche ergibt, dass das normalerweise gut informierte Energydesk (Greenpeace China) nur von einem Rückgang von 1,3% spricht. Eine Zahl, die offensichtlich auch Reuters überzeugte.
Die erhebliche Diskrepanz zwischen der offiziellen Zahl und der errechneten Zahl kann natürlich viele Gründe haben:
- Rechenschwäche bei mir (oder in Peking)
- Ungenauigkeit: Vielleicht fehlt im Communiqué der Hinweis darauf, dass von Kohletonnen und nicht von Energieeinheiten die Rede war. Peking hat in der Tat im letzten Jahr low-quality Kohle aus Indonesien und heimischen Minen zurückgedrängt. Dieselbe Energiemenge hätte also aus weniger Tonnen Kohle erzeugt werden können.
- Triumph des (statistischen) Willens: Die Regierung will Erfolge im Kampf gegen die Kohle melden. Es wäre nicht die erste statistische Ungereimtheit, wie die FT ($) und andere immer wieder zeigen.
- Kohlestatistiken in China sind eine Wissenschaft für sich. Es könnte eine mir unbekannte Erklärung geben (Unknown Unknowns, um mit Rumsfeld zu sprechen).
Dennoch: Sollte die Unstimmigkeit tatsächlich so offensichtlich sein und einer Überprüfung standhalten, wirft das kein gutes Licht auf die Qualität der deutschen und internationalen Wirtschaftspresse.
(Anmerkung: Die ausführliche Besprechung des Themas finden Sie in unserem Newsletter Global Energy Briefing Nr.147, der in wenigen Tagen erscheinen wird)
Autor: Dr. Steffen Bukold
NACHTRAG:
Auch die Autoren eines Gastbeitrags auf CarbonBrief haben sich des Themas angenommen. Sie tippen darauf, dass das Communiqué zwischen physischen Kohletonnen und Energieeinheiten changiert (unsere dritte Erklärungsalternative, s.o.). Aber auch die Autoren Dr. Jan Ivar Korsbakken und Dr. Glen Peters (beide CICERO/Norwegen) sind verwirrt, da diese Deutung neue statistische Ungereimtheiten erzeugt…
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