Vor kurzem hat das UBA eine bislang wenig beachtete Studie über Vorketten-Methanemissionen der deutschen Erdgasimporte vorgelegt (5). Überraschendes Ergebnis: Sie scheint die Klimabelastung russischer Erdgasimporte massiv zu unterschätzen. Die Zahlen liegen um den Faktor 5-7 unter den Ergebnissen vergleichbarer internationaler Studien.
Zugegeben, angesichts der historisch hohen Gaspreise interessiert sich die Politik im Moment eher für die Menge als die Qualität der russischen Erdgasimporte. Dennoch sind die Methanemissionen der Importströme relevant: Für die CBAM-Politik (also CO2-Abgaben auf fossile Energieimporte) und für den anstehende Entwurf einer EU-Taxonomy (Kriterien für ein EU Green Label bzw. Red Label). Und nicht zuletzt auch für die Rolle, die Erdgas in den kommenden Jahren im Energiemix spielen soll.
Methan und Klimapolitik
Methanemissionen der Öl- und Gasindustrie verursachen enorme und weithin unterschätzte Klimaschäden. Etwa 80 Mio.Tonnen Methan entweichen laut IEA jährlich auf dem Weg vom Bohrloch bis zum Verbraucher (1). Das entspricht dem THG-Effekt von 6,4 Gt CO2, wenn man die Wirkung über einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet (Faktor 80). Zum Vergleich: Das entspricht in etwa den achtfachen CO2-Emissionen Deutschlands.
Die Unterschiede zwischen den Förderländern und Förderregionen sind allerdings enorm. Die Emissionswerte schwanken um den Faktor 100. Kein Wunder also, dass Deutschland und die EU die Auswahl ihrer Lieferketten optimieren wollen. Je nach Umfang der schon vor der EU-Grenze entstandene Emissionen sollen daher über CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) und andere Instrumente bepreist werden. Das soll in den Exportstaaten entsprechende Anreize erzeugen, ihre Klimaschäden zu verringern.
Wie groß sind nun aber Methanemissionen in den Förderregionen? Vor allem Satellitendaten ermöglichen hier seit wenigen Jahren einen besseren Einblick und Überblick.
Die Methanemissionen in Russland
Besonders heftig umstritten sind die Methanemissionen der Öl- und Gasindustrie in Russland. Das ist für die deutsche Diskussion um die Rolle von Erdgas und Blauem Wasserstoff besonders interessant, da ca. 50% des hierzulande eingesetzten Erdgases aus Russland stammt.
Moskau selbst meldete zuletzt für das Jahr 2019 4 Mio.t Methan für den Öl- und Gassektor. Die meisten Studien kommen jedoch auf 2-3mal höhere Werte (2). Eine Studie des Environmental Defense Fund (EDF) und der Harvard University ermittelte ca. 8,3 Mio.t. Die IEA meldete zuletzt sogar 14 Mio.t (3).
Zur Einordnung: 14 Mio.t Methanemissionen bei einer Gesamtfördermenge Russlands von 638 bcm (462 Mio.t) entsprechen einem enormen Anteil von 3,0%. Das deckt sich in etwa mit den Zahlen der vieldiskutierten Studie von Howarth/Jacobson, die den globalen Durchschnitt auf 3,5% schätzen, dabei allerdings stark auf amerikanische Quellen zurückgreifen (6).
Dennoch besteht Gazprom darauf, dass die Emissionen “close to zero” sein und nur 0,34 Prozent des geförderten Methans ausmachen (4).
Nicht zuletzt große “Superemitter”-Events bei Lecks, Reparaturen oder anderen unregelmäßigen Ereignissen tragen jedoch zu den realistischeren hohen Werten bei. Die Auswertung der Daten der ESA-Satelliten durch den Dienstleister Kayrros entdeckte zahlreiche große Methanlecks entlang der Yamal-Pipeline und der Brotherhood/Druschba-Pipeline, die auch Deutschland versorgen.
Dauerhaft emittieren insbesondere die Kompressorstationen entlang der Pipelines große Mengen Methan. Gazprom betreibt 254 dieser Kraftwerke in seinem Pipelinenetz mit 3000 Gasturbinen.
Die aktuelle UBA-Studie (5)
Überraschend ist nun, dass eine aktuelle Auftragsstudie des Umweltbundesamtes zu ganz anderen Ergebnissen kommt. Sie verlässt sich weitgehend auf ältere Daten aus Berichten der Thinkstep AG, die sich ihrerseits ganz überwiegend auf Zahlen stützte, die damals von Gazprom und dem damaligen Nordstream-Konsortium bereitgestellt wurden. Thinkstep wurde im Jahr 2019 von Sphera, dem Auftraggeber der hier vorgestellten UBA-Studie, übernommen (7).
Die aktuelle UBA/Sphera-Studie kommt durch diese Quellenauswahl auf unrealistische Methanverlustraten für Russland von lediglich 0,44%, davon 0,049% im Upstream-Bereich (Förderung, Aufbereitung). Auch wird die Methanwirkung auf einen Zeitraum von 100 Jahren verteilt. Der THG-Faktor gegenüber CO2 (=1) sinkt dadurch auf 25.
Die Autoren räumen ein, dass Methanemissionen bei Wartungsarbeiten und bei Unfällen nicht berücksichtigt werden. Sie begründen das mit der schlechten Datenlage. Das Argument kann nicht so recht überzeugen, denn zum einen ist die Datenlage generell relativ schlecht, so dass sich so gesehen jede Aussage verbieten würde. Zum anderen ist der Anteil der Methanemissionen gerade bei der Wartung und bei Zwischenfällen ungewöhnlich hoch. Zumindest grobe Schätzungen sollten selbst anhand der Daten von Gazprom selbst möglich sein, da der Konzern auf satellitengestützte Entdeckungen hin und wieder reagiert reagieren musste. Weitere Hinweise ergeben sich aus den Auswertungen von Kayrros, die auf den ESA-Satellitendaten beruhen.
Im Anhang befindet sich eine Sensitivitätsanalyse, die mit abweichenden Ergebnissen aus Fachgesprächen begründet wird. Die Upstream-Emissionen werden hier von 0,049% auf 1,28% heraufgesetzt – also das 26fache. Auf eine Sensitivitätsanalyse der weitaus wichtigeren Emissionen während des Transports wurde jedoch verzichtet.
Quellen:
(1) IEA: Curtailing Methane Emissions from Fossil Fuel Operations – Pathways to a 75% cut by 2030
Paris Okt. 2021
(2) https://www.washingtonpost.com/climate-environment/interactive/2021/russia-greenhouse-gas-emissions/
(3) https://www.iea.org/reports/methane-tracker-2021
(4) https://www.gazprom.com/press/news/2020/june/article506967/
(5) Baumann, M., Schuller, O.: Emissionsfaktoren der Stromerzeugung – Betrachtung der Vorkettenemissionen von Erdgas und Steinkohl. Abschlussbericht (UBA Climate Change 61/2021), Dessau-Roßlau Sep. 2021.
(6) Howarth R.W., Jacobson M.Z.: How green is blue hydrogen? Energy Sci Eng. 2021;00:1–12, April 2021.
(7) https://www.connexxa.de/thinkstep-wird-von-sphera-uebernommen/
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