1. Die aktuelle Lage
2. Der Rohölpreis: Brent-Squeeze und Aramco-Virus
3. Gasoil und Heizöl
4. Heizölpreise: Fazit und vergleichende Prognose
1. Die aktuelle Lage
Die Lage am Heizölmarkt spitzt sich zu. Der Rohölpreis (Brent) hat heute wegen des schwachen Euros ein Allzeithoch im Euroraum erreicht. Bei den Heizölpreisen wurde in vielen Regionen das Jahreshoch übertroffen oder sogar ein Vierjahreshoch erreicht. Auch medial wird das Problem steigender Heizölpreise jetzt wieder verstärkt wahrgenommen (dpa, Spiegel).
Die Branche meldet sehr unterschiedliche Durchschnittspreise für den heutigen Tag. Sie reichen von knapp 94 (esyoil, Heizöl24) bis knapp 96 Euro/100l (Tecson, Brennstoffspiegel).
2. Der Rohölpreis: Brent-Squeeze und Aramco-Virus
Für die hohen Ölpreise (Brent) gibt es eine ganze Reihe von Ursachen:
(a) Die Produktionsausfälle in der Nordsee erzeugen die erwarteten Marktknappheiten Brent bleibt dadurch noch bis in den September hinein teurer, als es die fundamentale Marktlage rechtfertigt.
(b) Auch sorgt der schwache Euro dafür, dass Brent heute mehr kostet als in den Rekordmonaten im Sommer 2008. Damals war der Euro 1,57 $ wert, heute sind es nur noch 1,23 $. Die Kosten der europäischen Schuldenkrise werden dadurch schon heute für die Verbraucher spürbar.
(c) Feste Aktienmärkte und ein stabiler Euro stellen die Ampeln in vielen Hedgefonds auf „Risk On“. Zahllose Gerüchte zur Iran- und Syrienkrise sowie zusätzlichen geldpolitischen Erleichterungen durch die Zentralbanken schaffen ein bullisches Umfeld.
(d) Nach Brasilien hat nun auch China Geld- und Konjunkturspritzen angekündigt.
(e) Wichtiger noch: Saudi Aramco, die mit Abstand größte Förderfirma der Welt, musste wegen einer Attacke durch einen Computervirus die Datenverbindungen zur Außenwelt kappen. Die Meldung sorgte für erhebliche Unruhe: Störungen in Saudi-Arabien sind nach wie vor der GAU für die globale Ölversorgung.
(f) Die Öllager der USA wurden erneut abgebaut, wie am Mittwoch gemeldet wurde. Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling, aber dies ist bereits das dritte Mal in kurzer Zeit, dass der Markt irrtümlich mit einem Lageraufbau rechnete. Die Ölpreisbären werden vorsichtig.
(g) Auch die Ölnachfrage in den USA scheint sich zu stabilisieren. Allerdings liegen erst für den Mai wirklich belastbare Daten vor. Die aktuellen wöchentlichen Nachfragedaten führen häufig in die Irre.
Diese Nachrichtenlage sorgt dafür, dass jetzt vermehrt Hedgefonds mit Makrostrategien oder Trendfolgesystemen auf den fahrenden Zug aufspringen und so eine Preiskorrektur verhindern. Denn auch die Angebotsseite kann nicht überzeugen: Diverse Produktionsstörungen halten zur Zeit eine Millionen Fass pro Tag (b/d) vom Markt fern. Eine weitere Million fehlt aus dem Iran.
3. Heizölpreise – Gasoil – Raffinerien
Die Händler- und Raffineriemargen sollten angesichts der schwächeren Heizölnachfrage im Juli und August eigentlich nachgeben, blieben aber zuletzt stabil. Der Grund dafür liegt vor allem in Asien und den USA, denn die Diesel- und Kerosinexporte nach Europa sind zur Zeit nur gering, weil die Raffinerien mit zahlreichen Produktionsausfällen zu kämpfen haben oder vor Ort so hohe Produktpreise durchsetzen können, dass sich Exporte gen Europa nicht lohnen.
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Das zeigt sich dann auch an der Terminpreisstruktur. An der ICE-Ölbörse in London bleibt Gasoil ebenso wie Brent in Backwardation (zeitnahe Lieferungen sind teurer als zeitferne), was normalerweise auf eine aktuelle Knappheit hindeutet.
Diese Lage wirkt sich unmittelbar auch auf Heizöl aus, denn es wird ebenso wie Diesel und Jet Fuel aus den Vorprodukten Gasoil und Kerosin hergestellt. Beide sind insbesondere in Ostasien knapp.
Die privaten Heizöltanks in Deutschland wurden im Juli von 53% auf 56% ihrer Kapazität aufgefüllt. Die Heizölnachfrage war also in den letzten Wochen gering, aber der Aufbau der Vorräte liegt noch im Plan. Wegen des oben beschriebenen Preisumfeldes konnte sich das aber nicht preisdämpfend auswirken.
4. Heizölpreise: Fazit und vergleichende Prognose
Kommt ein neues Allzeithoch über 96 oder sogar über 98 Euro? Die Preishausse beim Rohöl hatte mit guten Argumenten begonnen, aber wird jetzt mit schwächeren Argumenten und wankelmütigen Akteuren (Hedgefonds) fortgesetzt. Im Moment sind es wohl vor allem Fonds mit Trendfolgesoftware und Makrostrategien sowie Händler, die im Nordseemarkt auf dem falschen Fuß erschwischt wurden, die den Rohölpreis stützten.
Brent könnte zwar noch bis in den September hinein teuer bleiben, wird dann aber wohl nachgeben, sobald die Reparaturen in der Nordsee beendet oder zumindest vollständig in die Preise eingearbeitet sind. Gleichzeitig beginnen dann viele Raffinerien mit ihren Umrüstungen, wodurch die Rohölnachfrage automatisch sinkt.
Ähnliches gilt für die Raffineriemargen. Hier werden sich früher oder später wieder Arbitragefenster öffnen, die den europäischen Markt besser versorgen, auch wenn Gasoil und Diesel in Europa noch über Jahre hinaus tendenziell eher knapp bleiben.
Trotzdem: Dem Aufwärtstrend gehen die Argumente aus. Die meisten bullischen Faktoren müssten bereits eingepreist sein. Wir bleiben deshalb bei unserer Prognose, dass die Heizölpreise nicht mehr deutlich zulegen werden, sondern vorläufig im Bereich von 90-95 Euro/100 Liter verharren, um anschließend nachzugeben.
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Und das sagen andere Kommentare zum Thema Heizölpreise (16. August 2012):
◊ Esyoil: Preise steigen weiter
◊ Heizöl24: Preise steigen weiter
◊ Tecson: „Mit Kauf warten“
◊ Brennstoffspiegel: keine Prognose
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Unser Heizölmarktbericht erscheint zwei Mal pro Woche. Der Link zum jeweils aktuellsten Bericht lautet: http://www.energiepolitik.de/thema/heizoelpreise/
Autor: Dr. Steffen Bukold (Infos)
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