Die EU-Kartellbehörden haben gestern die Geschäftsräume der Ölkonzerne Shell, BP und Statoil durchsucht (offizielle Pressemitteilung). Sie vermuten zum einen, dass die Unternehmen systematisch und über Jahre hinweg die Preise für Ölprodukte und Biokraftstoffe manipuliert haben, indem sie der Preisagentur Platts falsche Angaben machten. Ein zweiter Vorwurf lautet, dass andere Marktteilnehmer davon abgehalten wurden, sich an der Preisfindung zu beteiligen.
Eine Aktion der Behörden lag in der Luft, nachdem sich Politiker und Behörden in den letzten 12 Monaten immer wieder kritisch geäußert hatten. Zuletzt warnte sogar der Ölkonzern Total die Wertpapieraufsichtsbehörde IOSCO vor verzerrten Ölpreisen.
Da im Handel mit Ölprodukten nur wenige beobachtbare Trades pro Tag oder pro Woche stattfinden, müssen die Ölpreise (Rohöl oder Produkte) häufig geschätzt werden. Das letzte Wort haben die schon seit Jahrzehnten im Markt etablierten Preisagenturen wie Platts, Argus oder ICIS. Sie nehmen mit den Marktparteien, also v.a. den großen Ölhändlern und Ölkonzernen, täglich Kontakt auf und sammeln Preisdaten. Diese Daten werden auf ihre Plausibilität überprüft, indem man sie mit früheren Ölpreisen, den Terminpreisen oder Preisen aus anderen Märkten vergleicht. Oder sie werden in kurzen Auktionen ermittelt, an denen üblicherweise nur ein Dutzend Unternehmen beteiligt ist, wobei sich alle Marktteilnehmer schon seit Jahrzehnten kennen. Es ist insofern eher ein Club als ein Markt.
Dann werden diese Preise z.B. von Platts veröffentlicht. Das Problem für viele Käufer von Ölprodukten wie Naphtha, Diesel, Benzin, Bioethanol etc. entsteht nun daraus, dass diese Agenturpreise in vielen Lieferverträgen die verbindliche Benchmark sind. Wenn also die Ölpreise bei Platts steigen, muss der Kunde aus der chemischen Industrie, die Airline oder die Großspedition mehr bezahlen, selbst wenn nach seiner Einschätzung der veröffentliche Ölpreis mit der Realität wenig zu tun hat.
Preismanipulationen im Ölmarkt sind nichts Neues. Man denke an die Strafzahlungen für die jahrelang aktive Paraffin-Mafia, an den in Branchenkreisen berüchtigten, aber schwer greifbaren “Brent-Club” oder die fast im Wochentakt erfolgenden Strafzahlungen für Ölunternehmen im US-Ölmarkt. Durch die starke Konzentration auf der Anbieterseite entsteht Marktmacht und durch die oft engen persönlichen Beziehungen in der Branche, die nur selten von “Quereinsteigern” gestört wird, entstehen Gelegenheiten. Zudem stieg in den letzten beiden Jahren der Druck auf die Trading-Abteilungen der Ölkonzerne. Da die Rohölpreise nur noch wenig schwanken, ist es schwieriger geworden, durch Handelsgeschäfte Profite zu erzielen. Die Trader weichen daher verstärkt auf enge und weniger transparente Produktmärkte aus.
[icon icon=”0048.png”][/icon]Mein Interview im Manager Magazin zu den Risiken der Ölpreismanipulation (oder direkt im Manager Magazin: Original-Link).
[icon icon=”0048.png”][/icon] Wenn Sie wissen wollen, wie das aktuelle System der Ölpreisfindung funktioniert, lesen Sie bitte hier meinen Artikel zu diesem Thema.
Und aktuell:
[icon icon=”0048.png”][/icon] Frankfurter Rundschau
[icon icon=”0048.png”][/icon] Bloomberg
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