E-Fuels: Der aktuelle Stand (Teil 3 und Fazit)

Teil 3: Visionen und Realität in der E-Fuels-Debatte

Aktuelle Mengen und Projekte

Die übliche Medienlektüre vermittelt den Eindruck, dass im E-Fuel-Sektor eine Menge los ist. Anscheinend werden überall die Anlagen hochgefahren, neue Verfahren zum industriellen Einsatz gebracht und attraktive Produkte in den Markt eingeführt. Doch vieles davon ist PR und soll in erster Linie Investoren anziehen oder die Medien mobilisieren.

Viele Start-up-Unternehmen in diesem Bereich sind technisch innovativ und präsentieren eine Vielzahl von Ideen in kleinen Pilotanlagen. Doch sie sind vollständig von staatlichen Subventionen oder Venture Capital abhängig. Bis zur ersten kommerziellen Produktion im industriellen Maßstab, also bis zu den ersten Einnahmen, ist es noch ein sehr weiter Weg.

Auch bei weit fortgeschrittenen Großprojekten ist der Weg Richtung E-Fuels offensichtlich keine Einbahnstraße. Einiges Aufsehen erregte vor wenigen Wochen der Stopp für das FlagshipONE-Projekt in Schweden. Der dänische Energiekonzern Ørsted wollte dort ab dem nächsten Jahr die größte E-Methanol-Anlage in Europa bauen und aus dem Methanol diverse E-Fuels herstellen. Eine Investitionsentscheidung (FID) und Zusagen für staatliche Subventionen lagen schon lange vor, aber letztlich war den Dänen das Projekt zu riskant. Der CEO sieht derzeit keinen Markt für die teuren E-Fuels in Europa.

In dieselbe Richtung läuft es im Moment bei Maersk, der zweitgrößten Containerreederei der Welt. Zunächst wurden mehrere Dual-Fuel-Containerschiffe bestellt, die mit Methanol oder Schiffsdiesel fahren können. Doch Maersk scheut mittlerweile die Risiken und bestellt, wie die Konkurrenz, mittlerweile Schiffe, die mit fossilem LNG angetrieben werden.

Infinium

Weltweit (!) gibt es derzeit nur eine (!) E-Fuel-Produktion, die nennenswerte Mengen produziert. Die Pathfinder-Anlage von Infinium in Corpus Christi (Texas) stellt seit dem Frühjahr 2024 e-Gasoline und andere E-Fuels aus Grünem Wasserstoff und CO2 her und produziert mittlerweile, nach eigenen Angaben, im industriellen Maßstab. Die aktuellen Produktionsmengen wurden allerdings veröffentlicht. Im Frühjahr lagen sie bei mageren 8.300 Liter pro Tag. Zur Größenordnung: Diese Menge könnte den globalen Spritverbrauch für 0,1 Sekunden decken (nein, das ist kein Rechenfehler).

Auch bei der Klimabilanz schaut man am besten nicht allzu genau hin: Das CO2 stammt aus einer nahe gelegenen Erdgas-Aufbereitungsanlage (Howard Energy Partners). Es wurde aus einem normalen fossilen Erdgasgemisch abgetrennt. Dieses CO2 wird bei der Verbrennung der E-Fuels frei. Die E-Fuels sind also alles andere als klimaneutral, sondern lediglich etwas weniger klimaschädlich als fossile Ölprodukte.

HIF Global

Neben Infinium ist HIF Global das zweite wichtige Unternehmen im Bereich E-Fuels. Auch mit deutscher Beteiligung: Der aktuelle CEO von HIF EMEA leitete bis 2022 die Abteilung Energiepolitik im BMWK und war dort an der Entwicklung der Nationalen Wasserstoffstrategie beteiligt.

Die bekannteste HIF-Anlage ist Haru Oni (Südchile), die über die Methanolsynthese e-Gasoline u.a. für Porsche herstellt. Es ist alllerdings bisher nur eine Pilotanlage. Die Perspektiven des Projekts, das vom BMWK gefördert wird, sind unklar.

Nach der ersten Ausbauphase sollen laut Prospekt zunächst 130.000 Liter pro Jahr hergestellt werden. Zur Größenordnung: Bei dieser Menge dauert es rechnerisch über 900 Jahre, um einen mittelgroßen Öltanker für die Abfahrt Richtung Stuttgart-Zuffenhausen zu füllen.

Aber HIF plant bereits den Bau weitaus größere Produktionsstätten, darunter in den USA, Australien und auch wieder in Chile. Die größte Anlage soll in Texas entstehen (Matagorda). Sie soll nach ersten Plänen 1,4 Mio. Tonnen E-Methanol aus Grünem Wasserstoff herstellen, insbesondere für die chemische Industrie, aber auch für den Schiffs- und Straßenverkehr. Eine Investitionsentscheidung (FID) steht allerdings noch aus.

Auch in Matagorda stellt sich die Frage, woher das CO2 kommen soll. Mehrere große japanische Konzerne (Idemitsu, MOL, Jogmec) haben in HIF Global investiert und entwickeln im Moment den Plan, CO2 von japanischen Industrielagen abzuspalten (Carbon Capture) und zu den E-Fuels-Anlagen von HIF zu verschiffen.

Nach dem bereits aktiv verfolgten Plan, Grünes Ammoniak aus Übersee in japanischen Kohlekraftwerken zu verbrennen, würde Japan damit schon zum zweiten Mal meinen Sonderpreis für originelle, aber letztlich nicht zielführende Klimalösungen zu gewinnen. Das japanische fossile CO2 gelangt schließlich bei der Verbrennung der E-Fuels beim Endverbraucher ungefiltert in die Atmosphäre.

Schwerpunkt Ammoniak

Nimmt man die mehr oder weniger vage angekündigten Projekte in den Blick, wird rasch deutlich, wo die Schwerpunkte bei E-Fuels in den nächsten zehn Jahren liegen werden. Etwa 90 Prozent der geplanten Projekte wollen Ammoniak herstellen, so eine Übersicht der IEA vom Januar 2024, also entweder Grünes Ammoniak (Elektrolyse-Wasserstoff) oder Blaues Ammoniak (Erdgas plus CCS). Für E-Methanol oder Road Fuels bleibt da nicht mehr viel übrig.

Der Fokus auf Ammoniak (NH3) ist nicht überraschend: Zum einen vermeiden die Projektentwickler das leidige Problem der CO2-Beschaffung. Zum anderen gibt es eine ganze Reihe von Einsatzmöglichkeiten für E-Ammoniak. Es kann, wie konventionelles Ammoniak, in den riesigen Markt für Stickstoffdünger verkauft werden oder es kann in die Chemieindustrie wandern.

Oder der im Ammoniak enthaltene Wasserstoff wird extrahiert, so dass E-Ammoniak nur als Carrier für H2 dient. Das erfordert allerdings erst einmal den Bau großer Ammoniak-Cracker an den Küsten. Die gibt es bisher weltweit nur für kleine Mengen. Große Cracker sind technisches Neuland.

E-Methanol hat vermutlich nur in China größere Chancen. Dort gibt es schon seit Maos Zeiten Erfahrungen mit dem Einsatz von Methanol aus der Kohlevergasung. Der rasante Ausbau von Solar- und Windstrom eröffnet nun in peripheren Provinzen die Option, Grünen Wasserstoff zu relativ niedrigen Kosten herzustellen. Im Moment ist der Klimanutzen dieser Großrojekte allerdings noch unklar, da über die Pläne zur CO2-Beschaffung noch zu wenig bekannt ist.

Ausblick

Mengen

Selbst wenn der Hochlauf der Produktion von E-Fuels in den nächsten Jahren gelingen sollte, werden sie bis 2050 nur eine Nischenlösung darstellen können. Ein breiter Einsatz erfordert wegen der extremen Energieverluste der E-Fuels so große Strommengen und den Bau so vieler Industrieanlagen, dass selbst Großprojekte, wie etwa die deutsche Stromwende, daneben wie ein Sonntagsspaziergang wirken werden.

Um auch nur den globalen Flugverkehr mit E-Kerosin zu versorgen, werden ca. 15.000 TWh Grünstrom benötigt, rechnet die IEA vor. Hinzu kommt der Bau der Elektrolyseure, der aufwendigen FT-Anlagen, die schwierige CO2-Bereitstellung, die Transportprobleme u.v.m. Zum Vergleich: Deutschland erzeugt insgesamt ca. 500 TWh Strom. Davon ist nur die Hälfte Grünstrom (PV, Wind, Biomasse, Wasserkraft). Es erfordert also weltweit rechnerisch 60 deutsche Energiewenden, um auch nur den Flugverkehr auf E-Fuels umzustellen. 

Und das wäre nur der Flugverkehr. Der Kraftstoffbedarf im Schiffsverkehr ist fast genauso groß wie der des Flugverkehrs. Der Kraftstoffbedarf im Straßenverkehr ist etwa sieben Mal größer als im Flugverkehr.

Kosten

Auch der Kostensprung wäre durch die Einführung von E-Fuels enorm. Fossiles Benzin kostet aktuell im Großhandel (Eurobob ARA Barge) 47 Eurocent je Liter. E-Fuels werden voraussichtlich um die 300-400 Eurocent je Liter kosten. So zumindest viele Modellrechnungen.

Auch Infinium und HIF Global lassen sich bei den Kosten und Mengen nur ungern in die Karten schauen. Daher gibt es noch immer keine praxisnahen Daten über die tatsächlichen und nicht nur modellierten Herstellungskosten von E-Fuels. Interessanterweise machen die renditebewussten Ölkonzerne, die etwa im Biofuel-Sektor recht aktiv sind, nach wie vor einen weiten Bogen um E-Fuels.  

Kostensenkungen in den nächsten Jahren Richtung 150-200 Eurocent werden immer wieder genannt, aber sie hängen vor allem davon ab, dass Wasserstoff rasch sehr viel billiger wird. Danach sieht es nach den ersten eher enttäuschenden Wasserstoffprojekten jedoch nicht aus. Grüner und Blauer Wasserstoff könnten noch über längere Zeit sehr viel teurer und sehr viel knapper als erwartet bleiben.

Die wahren Herstellungskosten für E-Fuels werden sich dann erst in der Praxis zeigen. Die Erfahrung zeigt, dass es eher teurer als gedacht wird. Und das sind wie gesagt nur die Kosten: Die Marktpreise könnten deutlich darüber liegen. 

Jedes staatliche CfD-Budget, das die Differenz zwischen fossilen Fuels und E-Fuels decken wollte, wäre wegen der enormen Verbrauchsmengen und der enormen Kostenspanne im Verkehr im Nu geleert.

Fazit

Die oft gehörte Behauptung, es fehle nur an regulatorischen Anreizen, um E-Fuels im Straßenverkehr zum Durchbruch zu verhelfen, geht weit an der Realität vorbei. 

Abgesehen von begrenzten Mengen von Grünem Ammoniak für den Schiffsverkehr sind E-Fuels für den Verkehr derzeit weit und breit nicht in Sicht. Und das ist auch gut so: Mit der Elektromobilität steht ein weitaus attraktiverer Technologiepfad bereits zur Verfügung. Er ist in puncto Kosten, Klimaverträglichkeit und Effizienz schon heute den E-Fuels weit überlegen. Das weiß auch die Industrie: Kein Wunder also, dass so wenig in E-Fuels investiert wird und immer mehr Projekte gestrichen werden. 

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