Energieeffizienz und der 12. Fünfjahresplan – Rückblick und Ausblick auf die chinesische “Energiewende”- (TEIL 1)*
* Dieser Text basiert auf meinem Vortrag auf der Hannover Messe am 25.4.2012. Teil 2 erscheint in der nächsten Ausgabe.
Die Entmachtung des Politbüromitglieds Bo Xilai und die fast täglichen Enthüllungen über Verbrechen und Skandale in seiner direkten Umgebung beherrschen derzeit die Schlagzeilen. Der Machtwechsel von der Hu/Wen- zur Xi/Li-Administration verläuft schwieriger als erwartet. Doch Sand im Getriebe des Staats- und Parteiapparates kann sich China zur Zeit nicht leisten, denn wichtige wirtschaftspolitische Weichenstellungen stehen an. Das gilt immer dringender auch für die Energiepolitik. Der Verbrauch fossiler Energierohstoffe wie Kohle, Öl und Gas steigt unvermindert rasant an (Abb. unten).
Die Energieversorgung ist nicht langfristig orientiert und bewegt sich auf eine Sackgasse zu. Drei Alternativen anbieten sich grundsätzlich an:
1. Änderung des wirtschafts- und industriepolitischen Wachstumskurses (derzeit unwahrscheinlich)
2. Rascher Ausbau der Erneuerbaren bei gleichzeitiger Deckelung des Kohleverbrauchs
3. Sprunghafte Erhöhung der Energieeffizienz
Welche Variante erscheint wahrscheinlich und gangbar und wurden bislang, insbesondere im eben abgelaufenen Fünfjahresplan, die größten Forschritte erzielt? China hat bis heute eine kohledominierte Energieversorgung (Chart unten).
Anders als in Europa, Japan oder USA ist die Industrie der Hauptverbraucher im Stromsektor (Chart unten).
Die Energienachfrage hat sich nach 2002 abrupt beschleunigt, als insbesondere die Schwerindustrien ausgebaut wurden, zum Teil wegen der starken Nachfrage, zum Teil wegen des spezifischen chinesischen Anreizsystems, das den Ausbau der Schwerindustrie für lokale und regionale Regierungen attraktiv macht. Die Folgen dieser Industrialisierungswelle sind aber auch Umweltverschmutzung, Klimabelastung, Abhängigkeit von Energieimporten und steigende Kosten. Allein schon die absehbare Ressourcenknappheit wird eine Fortsetzung dieses Tempos in wenigen Jahren stoppen, da weder Kohle noch Öl in ausreichenden Mengen zur Verfügung gestellt werden könnten.
– Eine Motorisierung nach westlichem Vorbild würde eine Verdopplung der globalen Ölproduktion erfordern – ein Ding der Unmöglichkeit.
– Eine weiterhin steil steigende Kohlenachfrage würde schon in wenigen Jahren riesige logistische Folgekosten nach sich ziehen und spätestens 2020 die Kohleförderung quantitativ überfordern, weil immer weniger ergiebige, abgelegene Vorkommen in wasserarmen Regionen ausgebeutet werden müssten.
Das wurde im Prinzip schon 2004 in Peking erkannt: Ein „Low-Carbon Energy Mix“ und höhere Energieeffizienz sollten einen Ausweg anbieten, während der industriepolitische Kurs mit wenigen Nuancen beibehalten wurde.
STRATEGIE 1: ERNEUERBARE ENERGIE
Bei den Erneuerbaren Energien waren die Erfolge bislang begrenzt. Ihr Anteil stieg in den letzten 30 Jahren lediglich von 4 auf 8,3% (2010) (Chart unten).
Der Zuwachs konzentrierte sich weitgehend auf Hydroelektrizität und seit vier Jahren auch die Windkraft. Die Prozentanteile verdecken allerdings vor dem Hintergrund des insgesamt expandierenden Energieangebots das Volumenwachstum. Schon heute ist China der mit Abstand größte Markt für Renewables in der Welt (Chart unten).
Die Entwicklung der Windenergie verläuft seit 2006 in einem phänomenalen Tempo. Ende 2011 hatte China die USA und Deutschland bereits überholt. Fast die Hälfte aller Neuinstallationen 2011 fanden dort statt, so dass in China aktuell ein Viertel des globalen Windparks steht. Die Entwicklung soll vor allem in sieben „Windregionen“ vorangetrieben werden, die von der Zulieferindustrie bis zum Verkauf der Energie alle Wertschöpfungsschritte anbieten. Die größeren „Wind Power Bases“ werden Ende des Jahrzehnts mehr Windräder haben als ganz Deutschland.
STRATEGIE 2: ENERGIEEFFIZIENZ
Die Energieintensität (EI), also der Energieinput je GDP-Einheit, erfasst die Energieeffizienz des Landes. Die EI fiel zunächst (also verbesserte sich) kontinuierlich bis zum Jahr 2002 (Chart unten).
Das war zum Teil noch der Abbau des Mao-Erbes, als die chinesische Wirtschaft aus Autarkiegründen stark auf die Schwerindustrie gesetzt hatte. Unter Deng änderte sich das schrittweise: Die Förderung der Leichtindustrie und der Dienstleistungen senkte allein schon aus strukturellen Gründen die EI. Doch dieser Prozess kam 2002 für einige Jahre zum Halten. Eine Vielzahl von Gründen, die von der Steuerreform zuungusten der regionalen Körperschaften bis zur Wechselkurspolitik reichen, führte dazu, dass die Schwerindustrie überproportional wuchs und mit ihr die EI. Im 11. Fünfjahresplan begann man mit einer Vielzahl von Maßnahmen gegenzusteuern (Chart unten).
Dadurch gelang es, die EI von 2006 bis 2010 um 19% zu senken, allerdings nur mit Hauruck-Aktionen in letzter Minute, als Peking Tausende von Betrieben vorübergehend stilllegte, da viele Provinzen, Bezirke und Kreise die Planvorgaben nicht einhalten konnten oder wollten.
Auch 2011 gelang es nach vorläufigen Auswertungen des NDRC nicht, die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Bis heute liegt die EI daher deutlich über den Werten der USA (vgl. Chart unten). Der Abstand hat sich in den letzten zwanzig Jahren kaum verringert.
Das Schaubild unten macht deutlich, dass die Verschiebung des Energiemixes zu Erneuerbaren Energien bislang keinen nennenswerten Beitrag zur Vermeidung fossiler Brennstoffe leisten konnte. Nur 13% gingen auf ihr Konto. Die restlichen Einsparungen (630 Millionen Kohleäquivalenztonnen) wurden durch eine höhere Energieeffizienz erreicht, davon übrigens nur 8% im Gebäudebereich.
Die Übersicht unten zeigt für das Jahr 2010, mit welchen Einzelmaßnahmen CO2 eingespart wurde. Neben Windenergie, Aufforstung und Beleuchtung gelang das überwiegend mit einer Vielzahl von Initiativen im Sektor konventionelle Energieerzeugung, v.a. bei Kohlekraftwerken.
Die Zukunft: Der 12. Fünfjahresplan 2011-2015
Der aktuelle Fünfjahresplan findet energiepolitisch erschwerte Bedingungen vor, denn der Energiebedarf ist in den letzten fünf Jahren um über 50% gewachsen. Der „Supertanker“ China wird also immer größer und schwerer und jede Kurskorrektur damit teurer und politisch aufwändiger. Das verdeutlichen die Ziele und Rahmenbedingungen des aktuellen Fünfjahresplans (vgl. Übersicht unten).
1. Der Anteil regenerativ erzeugter Energie soll von 8.3% auf 11,4% steigen, also in etwa auf das aktuelle Niveau in Deutschland. Die Gesamtnachfrage steigt aber so schnell, dass der Verbrauch fossiler Energie, v.a. der Kohle, trotzdem weiter wachsen wird.
2. Die Energieintensität soll in den nächsten fünf Jahren um 16% fallen (d.h. die Energieeffizienz um 16% steigen). Das Tempo der Effizienzgewinne wird damit im Vergleich zum 11. Fünfjahresplan gedrosselt, obwohl der strukturelle Wandel der chinesischen Wirtschaft, also Drosselung des Wohnungsbaus und des Ausbaus der Schwerindustrie, eine höhere Effizienz tendenziell begünstigen sollte.
Das sind alles in allem keine sehr ambitionierten Ziele. Es zeigt sich, dass die leicht realisierbaren Maßnahmen bereits durchgeführt wurden. Jetzt wird der Weg mühsamer, da nun energiepolitische Ziele gegen den Widerstand der wachstumsorientierten Provinzen und Regionen und gegen den Widerstand der großen Energieanbieter (Ölkonzerne, Kohlekonzerne, Netzbetreiber) durchgesetzt werden müssen. Doch nicht selten rangiert der Chef dieser Konzerne in der Parteihierarchie über dem Minister, der ihn beaufsichtigen sollte. Implementationsprobleme nachfrageorientierter Energiepolitik sind vorprogrammiert.
Zwei weitere Probleme kommen hinzu:
1. Die starren und im internationalen Vergleich niedrigen Energiepreise für Endverbraucher behindern energiesparende Investitionen im Bau- und Industriesektor. Während in der Industrie Investor und Nutznießer identisch sind, fehlen diese Incentives in der riesigen Bauwirtschaft. Hier müsste der Developer Investitionen vornehmen (überwacht von Bauaufsichtsbehörden), von denen jedoch der spätere Wohnungsbesitzer profitieren wird.
2. Ähnlich wie in Deutschland erzeugt die fluktuierende Netzeinspeisung der Windturbinen Probleme im Stromnetz. Aber anders als in Deutschland fehlen als Pendant flexible Gaskraftwerke. Ganz im Gegenteil versucht die Kohlepolitik Pekings aus nachvollziehbaren Gründen, die Vielzahl kleinerer, flexiblerer aber wenig effizienter Kohlekraftwerke zu reduzieren und die Stromerzeugung auf große moderne Kohlekraftwerke zu konzentrieren.
Doch dadurch fällt die Flexibilität des Gesamtnetzes. Die Energiepolitik muss also nach neuen Ansätzen suchen. Der bisherige Kurs verlangsamt die Fahrt in die Sackgasse, stellt aber noch keine Kurskorrektur dar. Eine intensive Diskussion hat begonnen, die konzeptionell zum Teil weit über die europäische Energiepolitik hinausgeht. (Fortsetzung im nächsten Newsletter)
TEIL 2 erscheint im nächsten China Energy Letter Nr.5. (Link zu Letter 5)
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