CCS – ein Irrweg der Klimapolitik

CCS steht für Carbon Capture & Storage, also die Abscheidung von CO2 (Capture) bei den Emittenten und die anschließende Entsorgung des Klimagases in unterirdischen Deponien. Im Auftrag von Greenpeace Deutschland habe ich die bisherigen CCS-Großprojekte analysiert und bewertet. Die Bilanz ist ernüchternd…

Download des Berichts (38 Seiten): Irrweg CCS – Wie CO2-Endlager den Klimaschutz blockieren (3,4 MB)

CCS sollte nach zahllosen Fehlschlägen in der Vergangenheit eigentlich nicht viel mehr als ein Notnagel der Klimapolitik werden, reserviert für Rest-Emissionen aus Branchen, für die sich keine Alternativen abzeichnen. Doch für einige Industriebranchen und vor allem für die Öl- und Gasindustrie soll nun aus dem Notnagel ein üppig subventionierter, weltumspannender Rettungsanker werden. Und nicht nur das: Aus CCS wird in den nächsten Jahren ein milliardenschweres Geschäftsmodell.

Aber kann CCS diese Erwartungen überhaupt erfüllen? Über die technischen und geologischen Hintergründe ist nur wenig bekannt. Auch die Zahl der realisierten CCS-Projekte ist erstaunlich gering. Weltweit gibt es nur eine Handvoll größerer Anlagen, in Europa nur zwei: Sleipner und Snøhvit. Beide gelten als Musterbeispiele für den problemlosen Einsatz von CCS. Doch ist diese Bewertung gerechtfertigt?

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Eine detaillierte Analyse dieser Projekte zeigt, dass die CO2-Deponierung von erheblichen Risiken, geologischen Unsicherheiten, Verzögerungen und unerwarteten Projektabbrüchen geprägt ist. Die Kosten sind unverändert hoch, langwierige Störungen sind an der Tagesordnung. Ohne hohe staatliche Subventionen bewegt sich nichts.

  1. Beim häufig zitierten CCS-Vorzeigeprojekt Sleipner (Norwegen) in der südlichen Nordsee machte sich das eingepresste CO2 sehr viel schneller als erwartet auf den Weg Richtung Meeresoberfläche und sammelte sich in einer Schicht an, die es nach den mühevoll erarbeiteten geologischen Modelle eigentlich gar nicht geben durfte („9th Layer“). Jetzt wandern Millionen von Tonnen CO2 (niemand kennt die genaue Menge) unter der Deckschicht in mehrere Richtungen und suchen einen Weg nach oben. Glücklicherweise endet die CO2-Einpressung in wenigen Jahren, da das benachbarte Gasfeld (die ursprüngliche CO2-Quelle) versiegt.
  2. Beim integrierten CCS-Projekt Snøhvit (Norwegen) in der Barentssee musste die Deponierung im ersten Anlauf entgegen aller Prognosen abgebrochen werden. Der Druck stieg rasch in kritische Regionen. Erst der dritte Versuch scheint bisher zu funktionieren.
  3. Das geologisch ähnliche CCS-Projekt In Salah (Algerien) scheiterte vollständig. Die Projektbetreiber ignorierten den unerwartet rasch steigenden Druck in der CO2-Lagerstätte viel zu lang. In der Region über der Deponie hob sich der Boden um mehrere Zentimeter. Erst im letzten Moment wurde die Einpressung von CO2 abgebrochen und das Projekt beendet.
  4. Das integrierte Riesenprojekt Gorgon CCS (Australien) bekommt auch nach acht Jahren die CO2-Deponierung nicht in den Griff. Die entsorgten CO2-Mengen sinken sogar, da Salzwasser und Sand die Einpressung immer wieder stoppen. Der Öl- und Gaskonzern Chevron muss Entlastungs- und Stabilisierungsbohrungen vornehmen, um das Projekt nicht völlig scheitern zu lassen.

Der wirkliche Test steht allerdings bei allen CCS-Projekten erst noch aus. Bleibt das CO2 auch nach 100 oder 1000 Jahren noch sicher im Boden?

Nahezu alle größeren CCS-Anlagen, die eine dauerhafte CO2-Deponierung anstreben, dienen bisher lediglich dem Zweck, den ungewöhnlich hohen CO2-Anteil bestimmter profitabler Erdgasvorkommen zu reduzieren (Sleipner, Snøhvit, Gorgon, In Salah). Es gibt aber auch große CO2-arme Erdgasvorkommen. CCS löst also bisher nur Probleme, die von vornherein vermeidbar wären. Der Nettonutzen für den Klimaschutz ist nahe Null.

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CCS bleibt teuer. Ohne staatliche Unterstützung würde kein Projekt die frühe Planungsphase überleben. Die Gemeinschaft wird auf dem CCS-Pfad dauerhaft die Entsorgung von Klimaemissionen finanzieren, statt ihre Entstehung gleich von vornherein zu verhindern.

Vergleiche mit der Kostenentwicklung bei der Solar- oder Windindustrie sind völlig fehl am Platz. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte konnten bei CCS-Projekten keine Kostensenkungen beobachtet werden. Vor allem CO2-Deponien sind nicht standardisierbar. Jedes Projekt muss die individuelle Geologie der Lagerstätte mit großem Aufwand analysieren und eine maßgeschneiderte Lösung entwickeln.

Ganz im Gegenteil wären bei einem Boom von CCS eher steigende Preise zu erwarten, da die Zahl der spezialisierten Firmen für diese Aufgaben begrenzt ist und auch nicht binnen eines Jahrzehnts merklich erhöht werden kann. Wie in anderen Branchen wird die Schere zwischen Kosten und Preisen immer weiter auseinandergehen.

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Der Ausbau von CCS in Europa, USA oder Asien schafft neue, riskante Abhängigkeiten für den Klimaschutz, da in diesem Technikpfad die Industrie weiterhin große Mengen von Kohle, Gas oder Öl verfeuern kann.

Schon heute ist absehbar, dass es in der CCS-Kette vom Industriebetrieb bis zur CO2-Lagerstätte häufig zu Störungen kommen wird. Neben den Deponien gelten vor allem die Capture-Anlagen, die mit großen Mengen gesundheitsschädlicher Chemikalien arbeiten, als stark störanfällig. Auch der Bau von vielen Tausend Kilometern CO2-Pipelines wird auf Widerstände stoßen, wie das Porthos-Projekt in der Industrieregion Rotterdam und gescheiterte Pipelineprojekte in den USA bereits heute zeigen.

Wegen der riesigen CO2-Mengen, die täglich transportiert und entsorgt werden müssen, laufen bei Störungen die Pufferspeicher in Kürze voll. Die Emittenten müssen das CO2 dann wieder vollständig in die Atmosphäre entlassen oder den Betrieb stilllegen.

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Unrealistische Größenordnungen: Um auch nur 10 Prozent der fossilen CO2-Mengen zu deponieren, wären weltweit 3.300 funktionierende Sleipner-Projekte oder 670 Northern-Lights-Projekte (Phase 2) notwendig.

Das ist eine Größenordnung, die weder technisch noch ökonomisch in den nächsten Jahrzehnten auch nur ansatzweise bewältigbar ist. Auch die bisher geplanten CCS-Projekte kommen, unabhängig von ihren Realisierungschancen, nicht einmal in die Nähe klimapolitisch relevanter Mengen.

Ein zu großer Optimismus beim Thema CCS wird daher in einer klimapolitischen Sackgasse landen. Der Ausbau der CCS-Infrastruktur, der CO2-Deponien und der Capture-Anlagen wird absehbar so langsam und störanfällig verlaufen, dass die nach wie vor fossile Wirtschaft ihre Emissionsmengen nicht reduzieren kann und viel zu spät damit beginnt, in emissionsarme Produktionsmethoden und Produkte zu investieren.

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Umweltrisiken: Der letzte Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Thema CCS zählt zahlreiche Umweltrisiken auf, die durch CCS entstehen und für die keine sichere Lösung in Sicht ist. Sie reichen von gefährlichen Chemikalien, die in Capture-Anlagen eingesetzt werden, bis zu möglichen Leckagen bei CO2-Pipelines. Auch im Meer kann CO2 Schäden verursachen. Die Biodiversität geht in den betroffenen Arealen rapide zurück. Bei der Verpressung von sehr großen CO2-Mengen wächst zudem das Risiko von Erdbeben – ein Phänomen, das bei der Verpressung von Lagerstättenwasser in den USA seit Jahren an der Tagesordnung ist. Die Beben können Risse in den Deckschichten der CO2-Lagerstätten verursachen und damit den Weg Richtung Oberfläche frei machen. Es ist völlig unklar, wie die Betreiber von CO2-Deponien solche Probleme anschließend technisch beseitigen können.

Umgekehrt können große Erdbeben CO2-Deponien gefährden. Seit dem Jahr 1900 gab es in Norwegen 79 Beben der Stärken 4,0 bis 6,1, zum Teil in unmittelbarer Nähe bestehender oder geplanter CO2-Deponien. Allein im letzten Jahr gab es vier starke Erdbeben in norwegischen Offshore-Regionen.

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Fazit: Der weltumspannende Einsatz von CCS hat in der Energiewelt von heute keinen Platz. Solar- und Windstrom, Elektromobilität und Batterien, Grüner Wasserstoff und andere elektrolytisch produzierte Rohstoffe bieten inzwischen attraktivere Alternativen für fast alle Branchen. “Hard-to-abate” war gestern.

Der CCS-Pfad ist zu teuer, zu langsam, technologisch zu wenig ausgereift und vor allem zu riskant. Er will den fossilen Pfad bis weit in die Zukunft verlängern, ohne ihn klimapolitisch entschärfen zu können.

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