7. September 2012
1. Aktuelle Lage
2. Rohölpreis und Spekulationsneigung
3. Gasoil und Heizöl
4. Heizölpreise: Fazit und vergleichende Prognose Direkt dorthin springen
1. Aktuelle Lage
Wie im letzten Marktbericht erwartet, setzen die Heizölpreise ihren Gleitflug nach unten Richtung 90 Euro fort. Aktuell liegen die Marktpreise bei etwa 91,5 Euro, wobei einige Regionen im Südwesten schon an der 90er-Marke kratzen. Der steile Aufwärtstrend der Vormonate mündete damit in eine ruhige Seitwärts-/Abwärtsbewegung.
Die Rede des Fed-Chefs Bernanke vom letzten Freitag hatte keinen Einfluss auf die Ölpreise. Eher schon die gestrige Rede des EZB-Chefs Draghi in Kombination mit den schwachen Arbeitsmarktdaten aus den USA am heutigen Tag: Der Euro ist wieder en vogue, das kleinere Übel im transatlantischen Wettstreit der Leitwährungen. Der starke Euro, aktuell bei knapp 1,28 Dollar, verbilligt Rohöl und Gasoil für die deutschen Händler. Dieser Preisvorteil wurde zumindest heute noch nicht weitergereicht, könnte aber am Montag für nachgebende Preise sorgen.
Die politische Aufregung um die nachhaltig hohen Rohölpreise geht indessen weiter: Nachdem in der Vorwoche die G7-Industrieländer und Frankreich aktiv wurden, melden sich nun die USA und Großbritannien zu Wort. In Washington wird laut – wenn auch noch nicht offiziell – über die unmittelbar bevorstehende Freigabe der strategischen Ölreserven berichtet. Frankreich und Großbritannien scheinen das zu begrüßen. Berlin, Tokio und Rom möchten jedoch nicht mitziehen. Außerdem: Londoner Behörden untersuchen jetzt offiziell die hohen Spritpreise auf der Insel.
Im Prinzip ist zu begrüßen, wenn sich die Politik verstärkt mit der Entwicklung der Energiepreise beschäftigt. Aber wieder einmal steht zu befürchten, dass es sich nur um ein Strohfeuer im Wahlkampf handelt.
Heizölpreise 2008-2012
© Energiepolitik.DE (Bukold); Datenquelle: esyoil GmbH; Standardieferung 3000 l
2. Rohölpreis und Spekulationsneigung
Die entspannenden Signale im physischen Rohölmarkt waren auch diese Woche nicht zu überhören. Das Ladeprogramm für Nordseeöl im Oktober wurde veröffentlicht. Demnach werden 150.000 Barrel pro Tag mehr angeboten als noch im September. Mit 870.000 b/d liegt die Gesamtmenge zwar immer noch weit unter dem Durchschnitt, aber sie trifft auf eine sehr schwache Nachfrage, denn immer mehr Raffinerien gehen im Herbst turnusgemäß offline, und die europäische Konjunktur und Ölnachfrage bleiben schwach.
Dennoch kann sich Brent-Rohöl dank der Impulse aus der Geldpolitik und steigender Spekulationsneigung (noch) bei 113-114 $/b halten, wie die Schaubilder unten zeigen. Der wiedererstarkte Euro mildert die Rohölstärke ab.
Brent-Rohöl in Dollar und Euro (bis 7.Sep.)
© EnergyComment Bukold; Datenquellen: ICE/Bloomberg BWave; Wochendurchschnittswerte
Die Finanzmärkte tun ihr Übriges. Das Schaubild unten zeigt zum einen den Rohölpreis (Brent) als graue Fläche; die farbigen Linien stehen für die Wetten der Hedgefonds auf steigende Ölpreise für WTI-Rohöl, Brent-Rohöl und europäisches Gasöl (ICE Gasoil) an den beiden großen Ölbörsen Nymex und ICE. Per Saldo wurde in den letzten Jahren ausnahmslos auf höhere Ölpreise gewettet, deshalb liegen die Kurven ständig oberhalb der Nulllinie.
Der Kurvenverlauf zeigt, dass die Wettlust seit Juni deutlich angezogen hat und bis Ende August ungebrochen war. Die Dynamik verlagert sich immer mehr aus den USA (WTI-Rohöl, gelbe Linie) nach Europa. In absehbarer Zeit wird wohl auf Brent genauso stark gewettet werden wie auf den bekannteren WTI-Kontrakt. Aber auch Gasoil rutscht immer mehr in die Finanzmärkte hinein. Zur Zeit wird netto mit 94 Mio. Fass auf einen steigenden Brent-Preis gesetzt. Gasoil wächst noch steiler an und liegt derzeit bei umgerechnet 57 Mio. Fass.
Spekulation im Rohölmarkt und Gasoil-Markt
Anmerkung: Nettospekulation, also Wetten auf steigende Preise minus Wetten auf fallende Preise; WTI-Rohöl an Nymex und ICE; Brent und Gasoil an ICE; nur Futures (Terminlieferkontrakte); 1 Kontrakt entspricht 1000 Barrel (WTI,Brent) bzw. 100 Tonnen (Gasoil); Quellen: ICE, Nymex
3. Gasoil und Heizöl
Die Gasoilmargen halten sich weiter auf hohem Niveau, aber insgesamt war das Geschäft in dieser Woche ruhig und ereignisarm. Ganz anders im Benzinmarkt: Völlig untypisch für einen September liegen die Raffineriemargen für Benzin in Westeuropa auf einem Fünfjahreshoch – eine Erklärung für die ungewöhnlich hohen Tankstellenpreise in Deutschland.
Weiterhin jagt eine Raffineriestörung die nächste: In Westeuropa, Venezuela und den USA. Gestern auch bei der Großraffinerie in Karlsruhe (Miro Mineralölraffinerie Oberrhein GmbH), wo eine Entschwefelungsanlage Feuer fing. Hinzu kommen zahlreiche geplante Reparatur- und Umrüstarbeiten in Westeuropa, Russland und den USA.
Dadurch wird der europäische Markt immer schlechter mit Gasoil versorgt. Amerikanische Dieselexporte Richtung Europa werden selten. Auch russische Exporte gehen zurück. Dort bremsen hohe Abgaben die Exportneigung. Weltweit führen Störungen und Knappheiten zu neuen Versorgungsrouten, die oft kurzfristig umdisponiert werden müssen. Schiff und Hafen passen dann nicht oft nicht mehr zusammen, wenn z.B. große LR2-Tanker an zu kleinen Terminals löschen sollen.
Die Gasoil-Preise sind hoch, aber ziehen nicht weiter an. Dafür ist auch der Heizölmarkt verantwortlich, denn der Käuferstreik in Deutschland und Frankreichs geht weiter. Die Endkunden warten ab. Viele scheinen auf einen milden Wetter zu setzen, so dass sie mit halbvollen Tanks (zur Zeit im Schnitt 56-59%) ohne Engpass durch die kalte Jahreszeit kommen.
Eine Kaufwelle würde zur Zeit die Preise bzw. die Margen stark nach oben treiben, denn auch bei den Importeuren und Raffinerien ist schwefelarmes Heizöl Mangelware. Die schwache Nachfrage der letzten zwei Monate und die ungünstige Terminmarktlage (Backwardation) gaben keinen Anreiz zum Lageraufbau. Auch die Umstellung auf schwefelarmes Heizöl schafft Probleme. Das schwefelreichere 0,1%-Gasöl sucht sein Heil im Export, während schwefelarmes Material vom Dieselmarkt aufgesogen wird.
Gasoil (ICE) bis 31.8.2012
© EnergyComment Bukold; Datenquellen: ICE/Bloomberg GWave; Wochendurchschnittswerte; Frontmonat
© EnergyComment / Bukold – Wochendurchschnittswerte BWave, GWave, HEL (schwefelarm) 3000 l lt. esyoil GmbH
Heizölabsatz
© EnergyComment Bukold; Datenquelle: BAFA, AGEB
4. Heizölpreise: Fazit und vergleichende Preisprognose
Nach wie vor gehen wir davon aus, dass sich die deutschen Heizölpreise in einem langsamen Abwärtstrend befinden. Preise unter 90 Euro sollten demnächst möglich werden, denn Brent-Rohöl wird über kurz oder lang nachgeben. Solange die milde Witterung anhält, können auch die Gasoil-Margen und Heizöl-Händlermargen nicht anziehen.
Aber das Risiko einer Kaufzurückhaltung bei halbleerem Heizöltank sollte nicht unterschätzt werden. Langfristige Wetten auf das Wetter verlieren sogar die hauptamtlichen Wetterfrösche mit schöner Regelmäßigkeit. Und der europäische Gasoil- und Heizölmarkt wäre auf einen Käufersturm denkbar schlecht vorbereitet. Rasch steigende Heizölpreise wären die unvermeidliche Folge.
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Und das sagen andere Kommentare zum Thema Heizölpreise (7. Sep. 2012):
◊ esyoil: Heizölpreis im Aufwärtstrend – Kaufgelegenheit
◊ HeizOel24: Heizöl kaufen, falls die Aktien steigen / aber: alles ist möglich
◊ FastEnergy: –
◊ Brennstoffspiegel: –
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Unsere Analyse erscheint regelmäßig ein bis zwei Mal pro Woche. Der Link zum jeweils aktuellsten Bericht ist:
http://www.energiepolitik.de/thema/heizoelpreise/
Autor: Dr. Steffen Bukold (Infos)
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