Fortsetzung von Teil 1
4. Öllagerbestände
USA
Die amerikanischen Lagerbestände für Rohöl und Ölprodukte haben Mitte Februar ihren sechswöchigen
Aufwärtstrend beendet. Sie sind in den letzten drei Wochen von 1044,7 auf 1036,6 mb gefallen, also um umgerechnet
386 kb/d. Damit liegen sie aber immer noch über dem Schnitt der letzten Jahre und 60 mb über dem Stand von 2008.
Die Bestände in Cushing (vgl. GOB 1) steigen nicht mehr, sind aber mit 34 mb immer noch nahe dem Rekordhoch
von 34,9 mb. Die Probleme in Cushing werden die Preisfindung noch über Jahre belasten, da nur in begrenztem
Umfang Öl aus Cushing in größere Verbrauchs- oder Transportzentren gepumpt werden kann. Die Verlängerung der
Keystone-Pipeline von Cushing zur Golfküste wird wohl nicht vor 2012 in Betrieb genommen werden. Zur Zeit gibt es
keine Pipeline, mit der überschüssiges Öl zur Golfküste transportiert werden könnte. Die Umkehrung der Spearhead
Line hat auch den Abtransport Richtung Chicago erschwert.
Chart 14 zeigt mit violetten Ringen die Entwicklung der gewerblichen Rohöl- und Produktlager seit Jahresbeginn.
Darüber befindet sich der geschätzte Bestand einschließlich der etwa 40 Mio. Barrel, die im Golf von Mexiko vor
Anker liegen sollen.
Chart 14: Gewerbliche Rohöl- und Produktlagerbestände in den USA nach Kalenderwoche
(letzter Stichtag 27.Februar 2009)
Quelle: EIA
China
Peking plant die Einrichtung von strategischen Ölproduktlagern. Zunächst sollen 3 Mio. Tonnen, 2011 schließlich 10
Mio. Tonnen eingelagert werden. Die strategischen Rohöllager können bereits heute 102 mb aufnehmen und sollen bis
auf 280 mb ausgebaut werden.
Die gewerblichen Produktlager umfassten laut Branchenverband CPCIA Ende 2008 12,6 Mio. Tonnen. Sie lagen
damit 47% höher als vor einem Jahr, wie JBC Energy meldet.
Global
Die IEA (OMR Februar) sieht die weltweiten Öl- und Produktlager auf normalem Niveau. Hohe Bestände in den
USA stehen relativ niedrigen Beständen in Europa und Asien gegenüber.
Sie schätzt, dass die Lager in den Industrieländern (OECD) im Dezember 2008 um 20 mb (645 kb/d) abgebaut
wurden. Der Bestand lag Ende 2008 bei 2673 mb und damit 104 mb höher als vor einem Jahr. Erste Indikationen für
den Januar deuten auf sehr leichten, aber gegen den saisonalen Trend erfolgenden Lageraufbau um insg. 8 mb hin.
Die insgesamt geringere Ölnachfrage führt dazu, dass die Lager 57 Tage des Konsums decken können. Das sind 4,5
Tage mehr als vor einem Jahr.
Zusätzliche Mengen werden weltweit in Tankern zwischengelagert. Der OPEC-Monatsbericht vom Februar schätzte
sie auf 70-80 mb in 35-40 Schiffen, was 7-8% der VLCC-Großtankerflotte entspricht. Die IEA geht von 50-80 mb aus.
Ölmarkt & Ölpreise: Prognosen
Nachfrageprognosen
Die Nachfrageprognosen für 2009 wurden seit dem 10.Februar ein weiteres Mal deutlich nach unten korrigiert. Das
war zu erwarten, da der IWF seine Wachstumprognose für die Weltwirtschaft Ende Januar gesenkt hatte (vgl.
GOB-1). Da aber auch die Angebotsprognosen zurückgenommen wurden, verringert sich die Wirkung auf die globale
Ölbilanz.
Die EIA (STEO Februar) geht nun von einem Rückgang der globalen Ölnachfrage um 1,2 mb/d auf 84,7 mb/d aus.
Das ist eine Abwärtsrevision von 400 kb/d gegenüber dem Bericht im Januar.
Die IEA (OMR Februar) hat sich gegenüber dem Vormonat sogar um 570 kb/d nach unten korrigiert und geht nun
für 2009 von einem Rückgang um 980 kb/d auf 84,7 mb/d aus. Dabei sollte der Ölkonsum in den Industrieländern
(OECD) um 1,5 mb/d sinken und im Rest der Welt um etwa 500 kb/d steigen. Chart 15 verdeutlicht die von der IEA
erwartet Entwicklung und vergleicht die Vorhersagen für Januar und Februar. Dabei sollte auch erwähnt werden, dass
die Schätzung für das vierte Quartal 2008 (!) um 0,3 mb/d von 85,3 auf 85,0 revidiert wurde.
Die OPEC-Organisation (OMR Februar) ist vergleichsweise optimistisch und geht von -580 kb/d auf 85,13 mb/d aus
(-180 kb/d gegenüber Januar).
JBC Energy veranschlagt 2009 einen ähnlich hohen Rückgang wie 2008. Im Vorjahr ist die Nachfrage um 525 kb/d
geschrumpft, also stärker als jetzt noch von vielen Instituten angenommen. 2009 wird sie nach den Berechnungen der
Wiener um weitere 550 kb/d fallen.
Der Öldienstleister und Beratungskonzern WoodMackenzie liegt am anderen Ende des Beraterspektrums und
beziffert den Rückgang 2009 auf 1,5 mb/d (von 85,8 auf 84,3 mb/d), davon 700 kb/d in den USA. In China wird ein
leichtes Wachstum (+30 kb/d) erwartet, in Japan ein starker Rückgang (-190 kb/d).
Die folgende Tabelle fasst die Nachfrageprognosen zusammen.
Organisation /
Unternehmen
Weltölnachfrage 2009eltölnachfrage 2009
Schätzung im Jan.2009 Schätzung im Feb. 2009
EIA -800 kb/d – 1.200 kb/d
IEA -510 kb/d – 980 kb/d
OPEC -180 kb/d – 580 kb/d
EnergyIntelligence -700 kb/d –
JBC Energy -90 kb/d – 550 kb/d
WoodMackenzie — 1.500 kb/d
Chart 15: Globale Ölnachfrage 2007-2009 (IEA Oil Monthly Report)
Angebotsprognosen
Auch die Angebotsprognosen wurden im Februar vorsichtiger:
Die EIA (STEO Februar) vermutet einen Zuwachs des Non-OPEC Ölangebots von nur noch 150 kb/d in 2009 und
130 kb/d in 2010. Die Zuwächse sollen vor allem aus Aserbeidschan (aber siehe oben), USA und Brasilien kommen.
Im letzten Jahr war die Non-OPEC-Förderung nach dieser Berechnung um 330 kb/d zurückgegangen.
Die IEA (OMR Februar) rechnet 2009 mit einem Zuwachs des Non-OPEC-Rohölangebots um 400 kb/d (von 50,5
auf 50,9 mb/d). Das ist eine leichte Abwärtskorrektur um 100 kb/d. Allerdings hat die Energieagentur ihre
Erwartungen für NGL aus OPEC-Staaten sehr deutlich um 400 kb/d nach unten revidiert.
Die OPEC-Organisation (OMR Februar) ist auch beim Non-OPEC-Ölangebot optimistisch und rechnet mit einem
Zuwachs von 550 kb/d. Das sind allerdings 260 kb/d weniger als noch vor einem Monat.
Preisprognosen
Bei den Preisprognosen gab es in den letzten Wochen keine größeren Verschiebungen (vgl. GOB-1).
ÖLPOLITIK & ENERGIEPOLITIK – Aktuelle Brennpunkte der Ölversorgung 10.Februar bis 5. März 2009
Die Weltkarte zeigt aktuelle Brennpunkte in der Weltölversorgung. Die grüne Farbe deutet auf eine Verbesserung,
die rote Farbe auf eine bereits sichtbare oder mögliche Verschlechterung der Weltölversorgung. Die einzelnen
Standorte werden auf den beiden folgenden Seiten näher erläutert.
Unten finden Sie eine knappe, zusammenfassende Risikoeinschätzung der Weltölversorgung – abgekürzt: OILRIX
(Ölversorgungs-Risikoindex). Die Risiken werden in drei Dimensionen bewertet: Preisrisiken, Mengenrisiken und die
zeitliche Dimension der Risiken (kurz- bis langfristig). Die farbliche Markierung soll den Überblick erleichtern. Bei
der mittel- und langfristigen Bewertung wird unterstellt, dass die Weltwirtschaft ab 2012 wieder auf einen mittleren
Wachstumspfad zurückkehrt und dass über die geplanten Maßnahmen (etwa der Obama-Regierung) hinaus keine
größeren energiepolitischen Kursveränderungen vorgenommen werden.
Der OILRIX – Stand: 5. März 2009- Stand: 5. März 2009
ZEITHORIZONT PREISRISIKEN MENGENRISIKEN
Kurzfristig (2009) geringe Preisrisken, solange die Ölnachfrage parallel zum Angebot fällt
sehr gering; keine größeren geopolitischen Risiken in Sicht; die freien
Produktionskapazitäten sind umfangreich; die Reichweite der strategischen Reserven wächst.
Mittelfristig (2012) nach dem Wiederanspringen der Weltkonjunktur wird der Ölpreis zunächst
aus spekulativen, dann auch aus fundamentalen Gründen steigen gering; die freien Kapazitäten können einen
Anstieg der Nachfrage über einige Jahre abfedern
Langfristig (nach 2012) Die Ölpreise werden neue Rekordstände
erreichen, dann aber stark schwanken,
wenn durch Demand Destruction und
Wirtschaftskrisen abwechselnd
Überangebot oder Ölmangel herrschen
Die aktuellen Investitionskürzungen
werden einen Anstieg der Produktion über
die 90 mb/d-Marke im kommenden
Jahrzent erschweren; Demand Destruction
wird einsetzen, falls nicht im Vorfeld
energiepolitische Maßnahmen ergriffen
werden.
GLOBAL Finanzkrise und niedrige Ölpreise
Weltweit sinken die Investitionen in die Exploration und Erschließung neuer
Vorkommen. Es häufen sich Finanzierungsprobleme bei privaten und bei
staatlichen Energieunternehmen.
GLOBAL Wirtschaftskrise
Die Rezession in fast allen Teilen der Weltwirtschaft dämpft die Ölnachfrage und
sorgt für freie Reservekapazitäten.
China
Lieferverträge mit Russland, Brasilien und Venezuela: Die gute Finanzlage
Chinas ermöglichen den Abschluss langfristiger Verträge mit Ölexporteuren, die
angesichts der niedrigen Ölpreise auf externe Finanzierungen zurückgreifen
wollen oder müssen.
1. China und Russland: Abschluss der zähen Verhandlungen zwischen Rosneft
und Transneft auf der einen Seite und China (CNPC, China Development Bank)
auf der anderen Seite.
Rosneft wird ab 2011 zwanzig Jahre lang 300 kb/d an China liefern. Im
Gegenzug erhalten Rosneft 15 Mrd. und Transneft 10 Mrd. Dollar durch
Kredite, die ebenfalls 20 Jahre laufen. Die Anleihen werden „marktüblich“
verzinst. Auch der Preis des Rohöls soll sich nach Marktpreisen richten und
monatlich angepasst werden. Transneft wird das Geld u.a. für den Bau der
ESPO-Pipeline nutzen (vgl. GOB-1). Die Verhandlungen waren in der
Vergangenheit immer wieder an Preisfragen gescheitert.
2. China und Brasilien: Petrobras liefert ab sofort 60-100 kb/d an Sinopec und
voraussichtlich bald weitere 40-60 kb/d an CNPC. Der staatliche Ölkonzern
erhält im Gegenzug Kredite über 10 Mrd. Dollar von der China Development
Bank.
3. China und Venezuela: Caracas erhält von Peking Kredite in Höhe von 12
Mrd. Dollar. PdVSA liefert dafür zusätzlich 80-200 kb/d. Bereits heute werden
etwa 200 kb/d Rohöl nach China exportiert. Auch beteiligen sich chinesische
Firmen an Explorationsprojekten.
China Peking beginnt 2009 mit der zweiten Aufbauphase seiner strategischen
Ölreserven. Bis 2011 sollen Kapazitäten von 280 mb bereitstehen; derzeit sind es
102 mb. Auch die Anlage von strategischen Ölproduktreserven ist geplant (bis zu
10 Mio. t, also etwa 75 mb).
USA
In Washington hat die Obama-Administration die Kurskorrektur in der
Energieindustrie eingeläutet:
a) Streichung von Steuerleichterungen für die Öl- und Gasindustrie (insgesamt
$26,2 Mrd. im Zeitraum 2011 bis 2019).
b) Die umstrittene Erschließung des Outer Continental Shelf (OCS) für die Öl-
und Gasindustrie wird verschoben, um mindestens bis zum September 2009
Anhörungen durchführen zu können.
c) Die Vergabe von Abbaurechten (leases) für den teuren und ökologisch stark
belastenden Abbau von Ölschiefer wird erst einmal auf die lange Bank
geschoben. Das Interesse dürfte angesichts der niedrigen Rohölpreise sowieso
zurückgehen.
USA
Ethanol 1. Das Energieministerum soll schon in Kürze die seit Jahren erwarteten
Kreditgarantien für Anlagen zur Herstellung von Biokraftstoffen der 2.
Generation vergeben. Dazu gehört insbesondere Zellulose-Ethanol. Zum
Beispiel planen Shell und Verenium eine kommerzielle Anlage mit einer
Jahresproduktion von 36 Mio. Gallonen (2350 b/d), die den Betrieb 2012
aufnehmen soll. Laut einer Studie von GM/Sandia könnten bis 2030 5,9 mb/d
Ethanol aus land- und forstwirtschaftlichen Abfall- und Reststoffen sowie aus
Energiepflanzen hergestellt werden. Das könnte fast die Hälfte des aktuellen
Benzinbedarfs der USA decken.
2. In den USA steigen die Chancen, dass die EPA und die Automobilhersteller
schon vor Beendigung der jahrelangen Testreihen Bioethanolbeimischungen
über 10% zulassen (E10). Ein Problem ist inbesondere die Haftung für die
älteren amerikanischen PKW.
3. Die RFA (Renewable Fuels Association) meldet, dass 2008 in den USA 9,2
Mrd. Gallonen Bioethanol eingesetzt wurden (2007: 6,4 Mrd. Gallonen). Das
sind im Schnitt 601 kb/d, die wegen der nicht angepassten Motoren aber nur 400
kb/d Benzin ersetzen.
2009 sollen die Mengen auf ca. 10,5 Mrd. Gallonen steigen, wobei die
Kapazitäten schon heute bei 12,4 Mrd. Gallonen liegen. Anlagen für weitere 2
Mrd. Gallonen sind im Bau.
OPEC
Die EIA schätzt die Ölexporteinnahmen der OPEC 2009 auf „nur“ noch 402
Mrd. Dollar. Im Jahr 2008 waren es etwa 971 Mrd. Dollar. Im letzten Juli lagen
die Prognosen für 2009 bei 1.322 Mrd. Dollar, also mehr als dreimal so hoch.
Russland Moskau will das Abgabensystem für den Ölsektor grundlegend reformieren, da
es zu wenig Anreize für die Entwicklung neuer Vorkommen gebe. Nach
Angaben des Energieministeriums sind 36% der bestehenden und 94% der neuen
Felder unter dem bestehenden Steuerregime nicht profitabel. Als erste
Maßnahmen wurden für die Erschließung neuer Felder in Ostsibirien, im
Kaspischen Meer und in der Arktis Steuererleichterungen beschlossen.
Irak Produktionsprobleme in den südirakischen Ölfeldern erhöhen den
innenpolitischen Druck auf das Ölministerium. Kommissionen entwickeln den
„Accelerated Plan“, der 200 Mio. Dollar aus irakischen Mitteln für Investitionen
vorsieht. Damit soll die Förderung von derzeit 2,4 mb/d auf 2,8-3,0 mb/d bis
zum Jahresende gesteigert werden. Nach Angaben des „Medium- to Long-Term
Plan“ soll die irakische Produktion mit Hilfe der Gewinner der ersten
Ausschreibungsrunde bis 2012 um weitere 1,5 mb/d auf dann 4-4,5 mb/d
anwachsen.
Unabhängig davon scheint eine Einigung zwischen Bagdad und einem
japanischen Konsortium in Sicht. Sie regelt die Erschließung des Feldes
Nassiriyah, das 4,4 Mrd. Barrel sichere Reserven enthält und einen dauerhaften
Output von 300 kb/d ermöglichen soll.
Ein weiterer Vertrag zwischen dem Irak und Südkorea soll koreanischen Firmen
Erschließungsrechte für südirakische Felder gewähren. Dafür investiert Seoul
3,55 Mrd. Dollar in Kraftwerke und Raffinerien. Südkoreanische Firmen
nahmen an den zwei großen Ausschreibungsrunden nicht teil, da es im Vorfeld
Konflikte wegen ihres Engagements in zwei kurdischen Production Sharing
Agreements (PSA) gegeben hatte, die Bagdad für rechtswidrig hält.
Nigeria
Die Reform des Ölsektors kommt nur langsam voran. Der staatliche Ölkonzern
NNPC hat chronische Organisations- und Finanzierungsprobleme, da er aus
rechtlichen Gründen an jedem Joint-Venture zu 60% beteiligt ist. In der
vorgelegten „Petroleum Industry Bill“ soll NNPC in sieben Unternehmen
aufgespalten werden, aber ihre Verabschiedung durch das Parlament scheint in
weiter Ferne zu liegen. Laut Platts förderte Nigeria Mitte Februar 2,08 mb/d
gegenüber 2,5 mb/d im Jahr 2006.
Die niedrigen Ölpreise verschärfen das Cash-Problem, so dass Shell in einem
ungewöhnlichen Schritt der NNPC einen Kredit über 3,1 Mrd. Dollar
einräumen musste, um die Ölprojekte voranzubringen. Shell plant, in einem zur
Zeit wieder sicheren Teil des westlichen Niger-Deltas 220 kb/d seiner
Kapazitäten wieder in Betrieb zunehmen.
Mexiko
Der staatliche Ölkonzern Pemex hat Servicekontrakte für 170 Bohrungen im
Chicontepec Basin ausgeschrieben. Bis 2017 sollen dort 600-700 kb/d gefördert
werden. 2008 waren es laut Platts nur 32 kb/d.
Mexiko sieht sich in den nächsten Jahren großen Förderproblemen gegenüber,
da sich die Produktion im bisherigen Hauptfeld, dem Supergiant Cantarell, im
freien Fall befindet. Dieser Rückgang wird vorläufig durch den Ausbau des
benachbarten KMZ-Komplexes aufgefangen, der mit 800 kb/d Cantarell bereits
überflügelt hat. Aber auch KMZ wird in weniger als 10 Jahren seinen Peak
überschreiten. Zusätzliche Potenziale werden im Tiefwasser im Golf von
Mexiko vermutet, aber für ihre Erschließung gibt es noch keinen klaren Zeitplan.
Pemex liefert den größten Teil seiner Gewinne an den mexikanischen Staat ab
und kann daher nur begrenzt investieren. Die mexikanische Verfassung verbietet
ausländischen Konzernen den direkten Zugang zum mexikanischen
Upstreamsektor.
Feature Energiepolitik:
Von Rockefeller bis Peak Oil – Ölkrisen und ihre Überwindung 1850-2020
Auf den ersten Blick ist die Geschichte des Öls seit 1850 eine Wachstumsgeschichte. Mit Ausnahme
weniger Kriegs- und Rezessionsjahre ist der globale Ölkonsum pausenlos gestiegen. Im Laufe der
Jahrzehnte wurden immer mehr Anwendungsgebiete für Öl als Kraft-, Brenn- oder Rohstoff erschlossen.
Dieser Kontinuität auf der Nachfrageseite steht eine wechselvolle und unruhige Geschichte auf der
Angebotsseite gegenüber. Aus dieser Perspektive ist die Geschichte des Öls eine Abfolge von Krisen, die
immer wieder neue Lösungen erforderten, um der Branche und ihren Märkten eine stabile Struktur zu
geben. Ein Blick zurück soll die Sicht für die kommenden Ölkrisen schärfen.
1. Die traditionelle Perspektive: Klassische Ölkrisen
Die folgende Tabelle listet „klassische“ Ölkrisen auf, die deutlich von normalen Marktphasen abgrenzbar
sind. Die meisten Förderausfälle dieser Art traten in der Sowjetunion beziehungsweise Russland und im
Nahen Osten auf. In den letzten zehn Jahren haben sich die Schwerpunkte allerdings verschoben und
globalisiert (Lateinamerika, Afrika). Die zwei größten politisch bedingten Förderausfälle, ohne
Produktionskürzungen der OPEC, entstanden durch den Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990ern
und durch die Besetzung des Iraks seit 2003.
Tabelle 1: Politische Ölkrisen seit 1900 (Quellen: IEA, EIA, eig. Recherche)
Zeitpunkt Maximaler
täglicherLieferausfall
in mb/d
Gesamter Lieferausfall
in Millionen Barrel
Beschreibung Ort der Krise
1905/1917 n.a. n.a. Russische Revolution Russland
1951-54 n.a. 940 mb Verstaatlichung der Ölindustrie im Iran Iran
1956 2 245 mb Suezkrise Nahostkonflikt
1967 2 120 mb Sechstagekrieg Nahostkonflikt
1970/71 1,3 360 mb Libysche Preisoffensive Libyen
1971 0,6 90 mb Algerischer Unabhängigkeitskrieg Frankreich /
Algerien
1973/74 4,3 475 mb Yom-Kippur-Krieg; arabisches
Ölembargo
Nahostkonflikt
1978/79 5,6 640 mb Iranische Revolution 1979 Iran
1980-88 4,1 300 mb Krieg Irak-Iran Irak / Iran
1990/91 4,3 420 mb Invasion Kuwaits Irak / Kuwait
90er Jahre 5,5 >> 2.000 mb Zusammenbruch der Sowjetunion Sowjetunion
1999-2002 2,1 > 100 mb Vier irakische Exportstopps Irak
2002-2003 2,6 > 100 mb Innenpolitische Konflikte in Venezuela Venezuela
2003-2008 2,3 ca. 1500 mb Invasion des Irak / Anschläge Irak
2006-2009 1 ca. 600 mb Überfälle und Konflikte im Nigerdelta Nigeria
zum
Vergleich:
1,5 162 mb Hurrikan Katrina 2005 USA
Historische Analysen zeigen, dass manche Krisen notwendig waren, um tiefer gehende Probleme des Ölmarktes zu
lösen, so z.B. Anfang der 70er, als der niedrige Ölpreis und die Branchenstruktur eine Investitionskrise auslösten.
Andere Krisen wurden vor allem durch Fehlinterpretationen und unausgereifte Marktstrukturen erzeugt, so z.B. 1979,
als die Wirkung der iranischen Revolution auf die Versorgung der Ölmärkte weit überschätzt wurde und den noch
kleinen Spotmarkt überlastete.
Der Blick auf isolierte Einzelkrisen verstellt allerdings den Blick auf die längerfristigen historischen Zusammenhänge.
Begreift man Krisen als Ausdruck von Entwicklungsproblemen des Ölmarktes, gelangt man zu einer etwas anderen
Perspektive. Hier lassen sich auch die zukünftigen Herausforderungen analytisch einordnen.
2. Die andere Perspektive: Krisen und ihre Überwindung durch neue Paradigmen der Ölmärkte und der Ölpolitik
Entwicklungskrisen lösen eine Suche nach einem neuen tragfähigen Fundament aus. Die neuen Lösungsmuster sollen
hier – auch wenn der Begriff in letzter Zeit etwas strapaziert wurde – Paradigmen genannt werden. Die Entwicklung
der Ölversorgung ist aus dieser Sicht eine Abfolge von Krise, Paradigma, neue Krise, neues Paradigma und so weiter.
Tabelle 2 gibt einen knappen Abriss der Ölgeschichte aus dieser Perspektive (Details finden Sie in: S. Bukold: Öl im
21. Jahrhundert, Band 1, Kapitel 2, Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2009).
Mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts bahnte sich eine neue Entwicklungskrise an. Die Ölförderung außerhalb der
OPEC stagniert, während die OPEC-Staaten ihre Produktion nicht ausweiten konnten oder wollten. Gleichzeitig stieg
die Nachfrage bis zum Sommer 2008 durch die Globalisierung der Ölnachfrage stark an. Ähnlich wie Anfang der
1970er Jahre musste der Preis steigen.
Eine weitere Zuspitzung der Versorgungsengpässe wurde 2008 durch die globale Banken- und Wirtschaftskrise
verschoben. Die Nachfrage sinkt nun aus konjunkturellen Gründen und der Ölpreis ist auf dem Niveau des Jahres
2005.
So wünschenswert die niedrigeren Benzin- oder Dieselpreise für eine konjunkturelle Belebung sein mögen, so
bedenklich sind sie für die längerfristige Sicherheit der Ölversorgung. Das Investitionsniveau in der Ölbranche geht
deutlich zurück und die Entwicklung von Alternativen wird gelähmt. Eventuell führen Budgetkrisen sogar zu
innenpolitischen Krisen in wichtigen Produzentenländern.
Auch fällt der Ölkonsum nicht so stark, wie der Fall des Ölpreises von 147 $/b (Sommer 2008) auf 35 $/b (Ende
2008) vermuten lässt. Anfang 2009 lag die Nachfrage trotz Rekordpreisen im Sommer 2008 und Rekordrezession im
Winter 2008 nur 3 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Nachfrage reagiert nur langsam, denn sie wird durch
Subventionen, steigende Einkommen in Schwellenländern und starre technische Strukturen stabilisiert. Öl wird sogar
vermehrt zur Stromerzeugung verfeuert, da es billiger oder leichter verfügbar als Erdgas ist.
Wenn die globale Ölnachfrage in wenigen Jahren wieder auf ihren alten Wachstumspfad zurückkehren sollte, wird es
fast zwangläufig schon nach kurzer Zeit zu einer Verknappung kommen. Ungebremst würde dies eine Demand
Destruction verursachen, die insbesondere in Entwicklungsländern zu schweren sozialen Nöten und weltweit zu
volkswirtschaftlichen Verwerfungen führen könnte, zum Beispiel durch eine massive Subventionierung der Benzin-
und Dieselpreise.
Entschärfung der Krise durch internationale Politik: Ein Öl-Kyoto?
Ähnlich wie bei der aktuellen Bankenkrise wird der Ausweg durch ein internationales politisches
Krisenmanagement gesucht werden müssen. Die Chancen dafür stehen besser, als weit verbreitete Sorgen über
„Ressourcenkriege“ oder „Post-Carbon-Zivilisationskrisen“ vermuten lassen.
Fortsetzung in Teil 3